Brenda Joyce
zusammen. Francesca hielt vorsichtig Ausschau, doch der Gang
war leer – Gott sei Dank.
»Haben Sie
ihn getroffen?«, stieß Lucy hervor.
»Ich weiß nicht – ich glaube schon. Aber nur in den Fuß!« Während
Francesca die Derringer wieder in ihre Handtasche steckte, bemerkte sie, dass
ihre Hand noch immer zitterte. Sie blickte noch einmal den Flur entlang und
rechnete halb damit, Bragg mit Donnermiene auf sich zukommen zu sehen. Doch das
war eine alberne Befürchtung – im Hotel hatte man den Schuss gewiss nicht hören
können.
»Hat uns
jemand gesehen?«, fragte Lucy atemlos.
»Ich glaube nicht. Außer den Leuten draußen auf der Straße und in
den Kutschen.« Im selben Moment wurde beiden klar: In diesem Aufzug waren sie
alles andere als unauffällig – Lucy in ihrem purpurroten Abendkleid und
Francesca in dem türkisfarbenen.
»Verdammt«,
hauchte Lucy.
»Was ist
denn überhaupt los?«, wollte Francesca wissen.
Lucy
blickte sie mit großen, angsterfüllten Augen an, wich ein wenig vor ihr zurück
und schüttelte den Kopf. »Nichts.« Francesca konnte es nicht fassen. »Nichts?
Ich war doch selbst dabei! Ich habe alles gesehen und gehört. Er hat Sie
bedrängt. Sie stecken in Schwierigkeiten, Lucy!«
Lucy sah aus, als drohte sie jeden Moment in Tränen auszubrechen.
»Ich kann nicht ...«
Ohne diesmal auf den Verband an ihrer Hand zu achten, fasste
Francesca Lucy an beiden Händen. »Lassen Sie mich helfen. Ich habe Sie doch
bereits als Freundin lieb gewonnen. Bitte erlauben Sie, dass ich Ihnen helfe!«
Lucys Augen füllten sich mit Tränen, die sie
jedoch tapfer zurückhielt. »Das alles ist bloß ein Missverständnis. Es ist
überhaupt nichts! Der Mann hat mich mit jemandem verwechselt.« Noch immer mit
den Tränen kämpfend, starrte sie Francesca finster an. Es war nicht zu
übersehen, wie verängstigt sie war. Francesca glaubte kein Wort von Lucys
Ausrede – hier ging es nicht um eine Verwechslung. Sie berührte den bloßen Arm
ihrer Freundin. »Lucy, bitte, ich würde so gern etwas für Sie tun.«
»Es gibt nichts, was Sie für mich tun
könnten!«
Francesca holte tief Luft. »Sie haben eine wunderbare Familie, die
hinter Ihnen steht. Ihr Bruder ist Polizeipräsident, Ihr Vater zählt zu den reichsten und mächtigsten Männern im
Land.« Sie dachte an Harts Reichtum und Macht. »Und Ihr Stiefbruder kann
hier in der Stadt zweifellos Berge versetzen. Ich sehe, dass Sie Angst haben
... aber ganz gleich, in welchen Schwierigkeiten Sie stecken, Sie brauchen sie
nicht allein zu bewältigen. Ihre Familie kann Ihnen helfen, und ich bin
überzeugt, dass ich ebenfalls etwas für Sie zu tun vermag!«
Lucy machte sich von ihr los. »Ich gehe mich jetzt frisch machen«,
kündigte sie an. »Und dann müssen wir uns beeilen, damit wir nicht zu spät zum
Essen erscheinen.«
Francesca ging mit ihr, da sie es nicht über sich
brachte, die verstörte Lucy allein zu lassen. Als die beiden im Begriff waren,
sich wieder den Übrigen anzuschließen, fiel ihr Blick im Vorbeigehen auf eine
gewaltige bronzene Uhr, die auf einem Sekretär in der Lounge stand. Erst jetzt
wurde ihr bewusst, dass sie beinahe eine halbe Stunde lang fort gewesen waren.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, sagte Lucy: »Ich werde den anderen
erzählen, ich hätte einen Hustenanfall gehabt.«
Francesca blickte sie nur wortlos an.
Lucy wirkte kriegerisch. »Ich will nicht, dass sich irgendwer unnötig
sorgt, Francesca. Es besteht kein Grund, jemandem von diesem ... diesem Zwischenfall zu erzählen.«
Francesca war anderer Ansicht, widersprach jedoch nicht. Lucy
steckte in Schwierigkeiten, und ihr Bruder würde ihr gewiss helfen können.
Francesca nahm sich vor, mit Bragg auch darüber zu sprechen, sobald sie unter
sich waren.
Als die beiden in die weite Empfangshalle traten, packte Lucy sie
am Arm. »Lassen Sie kein Wort darüber verlauten, nicht einmal gegenüber Rick!«
Francesca sah in ihre Augen, aus denen eiserne Entschlossenheit
sprach. »Sie wissen, wie sehr es mich drängt, genau das zu tun«, brachte sie
schließlich heraus.
»Nein. Das wäre das Ende unserer Freundschaft«, sagte Lucy
schroff.
Francesca gab nach. In welchem Dilemma Lucy auch stecken mochte –
offenbar würde sie, Francesca, es allein lösen müssen, wenn sie ihre erst
kürzlich angeknüpfte Freundschaft nicht aufs Spiel setzen wollte.
»Kann ich mich auf Sie verlassen?«, fragte
Lucy.
Francesca nickte. »Ja. Auch wenn es gegen
meine Überzeugung
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