Brenda Joyce
ist eben
gegangen. Aber ich habe mit ihr gesprochen«, teilte sie ihm atemlos mit.
»Und offenbar einen Hinweis von
ihr erhalten«, stellte er fest. Francesca holte tief Luft und berichtete
hastig: »Jane Van Arke hat im April 1900 bei der Polizei gegen Craddock Anzeige
erstattet! Aber einen Monat später hat sie es sich anders überlegt und die
Vorwürfe zurückgezogen.«
»Und?« Er
zog die Augenbrauen hoch.
»Jane Van Arke ist die Stieftochter der Gräfin – und hasst Bartolla
aus tiefstem Herzen.«
Bragg schwieg einen Moment lang, ehe er erwiderte: »Ich fürchte,
ich verstehe nicht ganz. Glauben Sie etwa, dass Jane Van Arke hinter dem
Vandalismus steckt und dass sie womöglich Craddock damit beauftragt hat?«
Francesca rang die Hände. »Ich weiß nicht recht, was ich glauben
soll. Aber das Ganze wäre ansonsten doch ein erstaunlicher Zufall.«
Er dachte nach. »Gehen wir die Sache noch einmal durch. Craddock
ist ein Krimineller mit Vorstrafen. Er ist gewalttätig und hat sich insbesondere bereits der Erpressung schuldig gemacht.
Wahrscheinlich hat er Lester Parridy ermordet – was jedoch niemals bewiesen
werden konnte. Nun war Parridy aber ebenfalls eine zwielichtige Gestalt,
sodass niemandem allzu sehr an der Aufklärung des Verbrechens gelegen war.«
»Sie haben die Akte gelesen!«
»Allerdings. Lassen Sie mich fortfahren. Mrs
Van Arke – Bartollas Stieftochter – wurde vermutlich von ihm erpresst. Das ist
natürlich nur eine Annahme – sie selbst hat es zunächst zwar behauptet, dann
aber widerrufen und erklärt, es habe sich um einen Irrtum gehandelt.«
»Es ist nicht leicht, sich irrtümlich erpresst zu fühlen«, wandte
Francesca ein.
»Das scheint mir auch so.« Bragg und sie tauschten ein flüchtiges
Lächeln.
Stirnrunzelnd fuhr er fort: »Könnte es Zufall sein, dass Craddock
Jane Van Arke erpresst hat – die Bartolla so sehr hasst, dass sie ihr womöglich
Schaden zufügen will – und dass er nun meine Schwester bedrängt?«
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Francesca. »Mir schwirrt noch der
Kopf von alldem, was ich da erfahren habe. Aber ich denke, wir sollten Mrs Van
Arke auf jeden Fall schnellstmöglich befragen.«
Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr. »Jetzt ist ein günstiger
Zeitpunkt, es zu versuchen. Ich gehe davon aus, dass sie zu dieser frühen
Stunde noch nicht das Haus verlassen hat.«
»Also dann, gehen wir«, drängte Francesca
eifrig.
Doch er zögerte. »Da ist noch etwas.«
»Noch etwas?« Francesca, die bereits zur Tür hatte laufen wollen,
hielt inne.
Bragg starrte düster vor sich hin. »Lucys Mann war 1890 in Fort
Kendall inhaftiert.«
Francesca sah Braggs Daimler am Straßenrand stehen.
Dahinter erstreckte sich der Central Park, der in dieser Gegend zumeist
menschenleer war und beinahe ein wenig unheimlich wirkte. »Ich verstehe das
einfach nicht«, sagte sie.
Er hatte ihr die Hand mit leichtem Druck auf den Rücken gelegt und
geleitete sie den Weg entlang. »Er wurde irrtümlich eingesperrt, Francesca,
aber er hat einige Zeit lang eingesessen, ehe er flüchten konnte.«
»Er ist aus dem Gefängnis ausgebrochen?« Sie blieb abrupt stehen.
Bragg nickte. »1899 wurde er vom Gouverneur förmlich begnadigt.«
Ihr
schwindelte. »Lucys Mann ...«
»Er heißt Shoz.«
»Shoz ... diese Angelegenheit muss etwas mit
ihm zu tun haben!«
»Das denke
ich auch«, stimmte Bragg ihr ernst zu. »Shoz ist ein Mann, der Feinde hat, und
dass die beiden zusammen im Gefängnis gesessen haben, kann einfach kein Zufall
sein.«
Francesca
fühlte sich, als hätte jemand ihr ein Brett vor den Kopf geschlagen. »Dann geht
es womöglich gar nicht um Erpressung«, brachte sie schließlich heraus.
»Sondern um Rache.«
Bragg
nickte erneut und hielt ihr die Tür seines Daimlers auf, doch sie machte keine
Anstalten einzusteigen. »Es ist an der Zeit, dass Lucy die Karten auf den Tisch
legt«, bemerkte er.
»Das wird
sie nicht tun«, erwiderte Francesca mit Überzeugung. Er lächelte gequält. »Dann
haben Sie also bereits festgestellt, dass meine Schwester noch starrsinniger
ist als Sie?«
Francesca verbiss sich ein Lächeln. »Das ist recht
offensichtlich.«
»Jedenfalls steht eine Fahrt nach Fort Kendall an«, stellte Bragg
fest. Er ließ Francesca in das Automobil steigen, reichte ihr eine Schutzbrille
und ging selbst zur Vorderseite des Wagens, um den Motor anzukurbeln.
Sie sah ihm dabei zu. Sosehr die ganze Angelegenheit sie auch
beunruhigte, so aufregend fand sie
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