Brenda Joyce
hinterlassen?«
»Das weiß ich nicht. Der Schein kann trügen«,
erwiderte er leise.
Sie nickte. Als sie hinter sich Schritte und das Rascheln von
Seide hörte, drehte sie sich um.
Eine attraktive Frau mit olivfarbenem Teint und dunkelblondem
Haar stand auf der Schwelle und lächelte sie unsicher, ja beinahe ein wenig
ängstlich an. »Commissioner?«
Bragg eilte ihr entgegen. »Mrs Van Arke, ich danke Ihnen vielmals,
dass Sie sich die Zeit nehmen, Miss Cahill und mich zu empfangen.«
Sie entzog ihm ihre Hand und warf einen sichtlich verwirrten Blick
auf Francesca. »Es ist nicht gerade etwas Alltägliches für mich, den
Polizeipräsidenten unserer Stadt in meinem Salon zu Gast zu haben«, bemerkte
sie mit heiserer Stimme. Obwohl sie Italienerin war, sprach sie mit eindeutig
britischem Akzent, woraus Francesca schloss, dass sie in Großbritannien die
Schule besucht haben musste. Vom Alter her schätzte sie Mrs Van Arke auf
Anfang dreißig.
»Und ich fürchte, wir sind sogar in offiziellen Polizeiangelegenheiten
hier«, erwiderte Bragg.
Mrs Van Arke lächelte verkrampft und blieb in der Tür stehen, die
Arme vor ihrer üppigen Brust verschränkt.
Als sie nicht nach dem Grund des Besuchs fragte, begann Bragg nach
einem Seitenblick zu Francesca: »Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Joseph
Craddock?«
Ihr Gesicht verriet keinerlei Regung. »Wie
bitte?«
Während er sein Frage wiederholte, dachte Francesca darüber nach,
wie diese Reaktion wohl zu deuten sei.
»Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, behauptete Mrs
Van Arke steif.
»Vielleicht lässt Ihr Gedächtnis Sie ein
wenig im Stich«, erwiderte Bragg freundlich. Francesca war überzeugt, dass
sich Mrs Van Arke sehr wohl an Craddock erinnerte, ja dass sie in Wahrheit
nicht sonderlich überrascht war, nach ihm gefragt zu werden. »Soweit ich weiß,
hat eine Jane Van Arke, wohnhaft 250 Fifth Avenue, am 8. April 1900 Anzeige
gegen Joseph Craddock erstattet«, fuhr er fort.
Sie starrte ihn einen Moment lang an, dann schlug sie die Augen
nieder und erwiderte: »Sie beziehen sich auf ein Ereignis aus meiner
Vergangenheit. Ich habe einen Fehler begangen.«
»Ja, einen Monat später zogen Sie Ihre Vorwürfe wieder zurück«,
ergänzte Bragg.
Jane Van Arke ging zu dem mit blassblauer Seide bezogenen Sofa,
das farblich fast genau zu ihrem Kleid passte, und ließ sich darauf nieder.
»Wie ich schon sagte, es war ein Fehler.«
Bragg trat an das Sofa. »Mrs Van Arke, bitte helfen Sie uns. Wir
befürchten, dass sich eine andere Frau gegenwärtig in einer ähnlichen Lage
befindet.«
Sie erbleichte. »Heißt das, es gibt noch eine weitere ... er erpresst
eine Frau?«
»Eine junge Frau mit drei kleinen Kindern«, bestätigte Francesca
ernst, auch wenn es sich dabei bislang nur um eine Vermutung handelte, die sie
und Bragg teilten. »Und schlimmer noch, er hat sie bereits persönlich
bedrängt.«
»Ich habe zwei Söhne«, sagte Jane Van Arke unvermittelt. Sie stand
auf und rang die Hände. »Sie sind jetzt zwölf und vierzehn Jahre alt, aber
damals waren sie zwei Jahre jünger, und er hat keinen Zweifel daran gelassen,
dass er ihnen etwas antun würde, wenn ich ihm nicht das verlangte Geld gebe
und meine Anzeige zurückziehe.«
Bragg legte ihr eine Hand auf
die Schulter. »Ich danke Ihnen, Mrs Van Arke. Werden Sie eine umfassende
Aussage machen?« Sie blickte ihn mit großen Augen an. »Ich weiß nicht recht.«
»Ihre Angaben werden streng
vertraulich behandelt. Er wird niemals erfahren, dass wir die Informationen von
Ihnen haben«, versicherte Bragg.
Sie zögerte, warf einen raschen Blick zu Francesca und erwiderte
dann: »Es gibt nichts weiter zu sagen.«
»Mrs Van Arke?«, mischte sich Francesca ein. »Sie haben doch
offensichtlich Angst vor Craddock. Wollen Sie wirklich sagen, Sie haben ihn
seit zwei Jahren nicht mehr gesehen?«
Die Frau zögerte wieder, dann schüttelte sie
den Kopf.
»Wann haben Sie ihn denn zum letzten Mal gesehen?«, forschte
Francesca sanft, aber nachdrücklich weiter.
Mrs Van Arke seufzte. »Ich weiß es nicht.« Sie wich den Blicken
ihrer Besucher aus.
Francesca und Bragg sahen sich an. Die Frau log – sie hatte
offenbar etwas zu verbergen.
»Es wäre wirklich sehr hilfreich, wenn Sie uns diese Frage beantworten
könnten«, versuchte Bragg es erneut.
»Ich weiß es nicht!« Sie sprang auf. »Er ist ein furchtbarer
Mensch. Böse. Gewissenlos. Ich hatte Angst um meine Söhne. Ich will nicht, dass
er wieder in mein
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