Brenda Joyce
doch andererseits die Aussicht, gemeinsam
mit Bragg eine Reise zu dem Gefängnis zu unternehmen. »Soll ich versuchen, mit
Lucy zu sprechen, oder werden Sie das tun?«
Der Motor erwachte röhrend zum Leben. Bragg blickte auf.
»Vielleicht finden Sie ja heute Abend eine Gelegenheit dazu.«
Sie erstarrte.
Die Schuld stand ihr offenbar ins Gesicht geschrieben, denn
während er zur Fahrerseite des Wagens ging, setzte er hinzu: »Ich weiß von der
Dinnerparty Ihrer Mutter.«
Der Empfang zu Ehren von Calder Hart, zu dem er, Bragg, nicht
eingeladen war. Francesca wusste nicht, was sie sagen sollte. Er ließ sich auf
dem Fahrersitz nieder. »Hatten Sie die Absicht, mir davon zu erzählen?«
»Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht«, log sie nervös. »Jedenfalls
besteht Mama darauf, dass ich dabei bin. Ich wünschte nur, Sie kämen auch.«
»Calder ist die begehrteste Partie der Stadt,
wie?«
»Nicht für mich!«, rief sie mit Entschiedenheit aus. »Das wissen
Sie!«
Er seufzte plötzlich aus tiefster Seele. »Und Sie wissen so gut
wie ich, dass das Leben nicht nur aus Zuckerschlecken und Regenbogen besteht«,
bemerkte er düster.
Als Francesca ihm in die Augen blickte, hörte sie im Geiste wieder
jedes einzelne Wort ihrer furchtbaren Auseinandersetzung in der Nacht zuvor.
Aus einem Impuls heraus ergriff sie seine Hand. Als er den Druck schweigend
erwiderte, war ihr klar, dass er ebenfalls an den vergangenen Abend dachte.
»Ich glaube an ein glückliches Ende«, sagte sie leise. »Ich glaube
ganz fest daran.«
Er lächelte schwach. »Das weiß ich.«
Trotz des strahlenden Sonnenscheins herrschte noch immer klirrende
Kälte. Von der Sonne geblendet, erkannte Francesca den Mann, der zwischen zwei
Kutschen hervor auf sie zukam, nicht sofort. Sie bemerkte nur, wie sich Bragg anspannte.
Erst als der Mann an ihrer Wagentür stehen blieb, begriff sie und erstarrte
ebenfalls.
Es war Arthur Kurland, der aufdringliche Reporter von der Sun. Francesca
ließ Braggs Hand los.
Kurland schien ihre Bewegung nicht entgangen zu sein. Er grinste
sie an, die Hände fröstelnd in den Taschen vergraben. »Nein, so etwas – Sie
können sich gar nicht vorstellen, wie überrascht ich bin, Sie beide hier vor
dem Haus der Channings anzutreffen.«
»Wir wollten soeben wieder fahren«, entgegnete Bragg und legte den
Gang ein.
Doch Kurland blieb dicht neben dem Wagen stehen. »Sie arbeiten
doch bestimmt an einem neuen Fall. Oder ist dies etwa ein privater Anlass, ein
netter kleiner Sonntagsausflug?«
Francesca ahnte Böses. Womöglich war Kurland nicht nur über die
wechselseitige Zuneigung zwischen ihr und Bragg im Bilde, sondern wusste auch
von dessen Ehe.
»Ihre Fähigkeit, Neuigkeiten aufzustöbern, lässt nach«, bemerkte
Bragg. »Ja, wir ermitteln in einem Fall. Francesca begleitet mich, weil Miss
Channing die Verlobte ihres Bruders ist.«
»Ist Miss Channing denn etwas zugestoßen?«, wollte Kurland wissen
und riss interessiert die Augen auf.
»In ihr
Atelier wurde eingebrochen«, teilte Bragg ihm kurz angebunden mit. »Guten Tag,
Kurland.« Damit fuhr er an.
Francesca
drehte sich nach dem Reporter um, der am Bordstein stand und hastig etwas auf
einen Notizblock kritzelte, ehe er kehrtmachte und auf das Haus der Channings
zulief. Unbehaglich wandte sie sich Bragg zu. »Er hat gesehen, dass wir uns an
den Händen gehalten haben.«
»Ja, allerdings«, bestätigte
Bragg düster.
Das Haus der
Van Arkes war im georgianischen Stil erbaut und stammte vermutlich aus den
ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts. Francesca und Bragg eilten
die Auffahrt hinauf und klingelten an der Tür. Francesca musterte ihn und
stellte fest, dass die Ereignisse des vergangenen Abends ihn noch immer zu
beunruhigen schienen.
Die Tür wurde geöffnet, und vor ihnen stand ein Dienstbote. Bragg
stellte sie beide vor, sich selbst in seiner Funktion als Polizeipräsident.
Daraufhin wurden er und Francesca eingelassen und gebeten, einen Moment lang zu
warten, während man Mrs Van Arke von ihrem Besuch in Kenntnis setzte. Von Mr
Van Arke war nicht die Rede.
Der Salon wirkte einladend. Francesca stellte auf den ersten Blick
fest, dass die Tochter des Grafen Benevente wohlhabend, aber nicht reich war.
Sie stand eine Stufe über der Mehrheit des mittleren Adels, nicht höher.
»Ist Bartolla nicht sehr reich?«, erkundigte sich Francesca flüsternd
bei Bragg.
»Es hat den Anschein.«
»Hat der Graf – Mrs Van Arkes Vater – ihr
alles
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