Brenda Joyce
Galerie?« Und dann: »Ach ja, das ist er! Ich
sollte ihn begrüßen!«
Francesca wirbelte herum und packte sie am Handgelenk. »Du
kennst ihn?«
»Ja,
gewiss, Fran. Was ist denn los?«
Sie starrte die junge Künstlerin mit klopfendem Herzen an und ihre
Gedanken überschlugen sich. »Wie gut kennst du ihn, Sarah?«
Diese zuckte mit den Schultern, schien besorgt. »Ich habe einmal
Kunstunterricht genommen und er hat einen Vortrag gehalten. Und kürzlich habe ich ihm
einige meiner Porträts vorbeigebracht, um zu sehen, ob er bereit wäre, sie für
mich zu verkaufen. Aber er hatte kein Interesse, war allerdings sehr freundlich
und hat mich ermutigt weiterzumalen.«
Francesca fiel das Atmen schwer.
Hart ergriff ihren Arm. »Was ist denn?«, fragte er mit scharfer
Stimme.
»Wir haben Hoeltz gefragt, ob er eine Sarah Channing kennt, und er
hat es verneint. Er hat uns angelogen!«
Kapitel 15
FREITAG, 21. FEBRUAR 1902 – 19:00 UHR
Neil Montrose
schritt in dem Salon neben der Eingangshalle auf und ab und trat alle paar
Minuten ans Fenster, um hinauszusehen. Seine Frau war den ganzen Tag nicht zu
Hause gewesen. Laut Mrs. Partridge hatte sie das Haus kurz nach zwölf mit den
Mädchen verlassen, und das war nun bereits sieben Stunden her. Wo konnte sie
nur sein? Ob es den Mädchen gutging? Was war geschehen? Connie achtete immer
darauf, spätestens um fünf Uhr mit den Kindern daheim zu sein, damit diese früh
zu Abend essen konnten. Er war außer sich vor Sorge.
Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte, wenn seiner Frau oder
den Kindern etwas zustieße. War ihnen womöglich bereits etwas
zugestoßen? Hatte es einen Kutschenunfall gegeben? Die Straßen waren
stellenweise vereist. Aber hätte man ihn in einem solchen Fall nicht
verständigt?
Und nun, da es dort draußen dunkel und
winterlich war, seine Frau und seine Kinder jedoch noch immer verschwunden
blieben, wünschte er sich verzweifelt, dass Connie und er nicht zerstritten
wären. Dabei hatte er alles versucht, doch sie war entschlossen, ihn zu
bestrafen, und er glaubte nicht, dass sie ihm jemals verzeihen würde, was er in
seiner Dummheit getan hatte. Er konnte es sich ja nicht einmal selbst verzeihen
und eigentlich wollte er auch gar keine Vergebung von ihr. Er sehnte sich nur
danach, dass sie beide die Vergangenheit vergessen und gemeinsam in eine
glückliche Zukunft blicken konnten.
Falls sie ihm noch eine zweite Chance gab,
wollte er alles in seiner Macht Stehende tun, um seinen Fehltritt wiedergutzumachen.
Aber er verlor langsam die Hoffnung. Offenbar war sie nicht bereit, seine
Entschuldigungen anzunehmen, die wirklich von Herzen kamen, und sie wollte
auch seinen Beteuerungen, niemals wieder vom rechten Weg abzukommen, einfach
keinen Glauben schenken.
Er ließ sich in einen Sessel fallen, vergrub
das Gesicht in den Händen und überließ sich seinem Kummer. Er liebte sie
doch so sehr! Dabei hatte er sich ursprünglich gar nicht in sie verlieben
wollen – er war lediglich auf der Suche nach einer anständigen und attraktiven
Ehefrau gewesen, die er mit der Zeit zu mögen gelernt hätte, die seine Kinder
zur Welt brachte und seinen Haushalt führte. Sein Interesse an Connie war
allein wegen des Vermögens ihrer Familie zustande gekommen, ebenso wie ihre Mutter
ihn bloß um seines Adelstitels willen mit ihrer ältesten Tochter verbandeln
wollte. Aber als er sie dann zum ersten Mal gesehen hatte, war er geradezu
überwältigt gewesen, denn sie war schlichtweg die schönste Frau, der er jemals
begegnet war.
Es war so furchtbar leicht gewesen, sich in
sie zu verlieben.
Und nun wollte ihm ein schrecklicher Gedanke
einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Er war sich nicht mehr sicher, ob er
seine eigene Frau überhaupt kannte. Sie war für ihn eine Fremde geworden. Oder
waren sie beide womöglich trotz der fünf Jahre, die sie einander nun kannten und von
denen sie vier als Mann und Frau zusammengelebt hatten, eigentlich immer
Fremde geblieben?
Er hätte jetzt so gern mit ihr gesprochen.
Wollte ihr aus tiefstem Herzen sagen, was er für sie empfand. Aber er wusste
einfach nicht, wie er das anfangen sollte. Er war nun einmal – ebenso wie sie –
auf eine bestimmte Weise erzogen worden, und ernste oder sogar peinliche Gespräche
– insbesondere solche mit der eigenen Ehefrau – waren nicht Teil dieser
Erziehung gewesen. Es wurde von ihm erwartet, dass er seine Besitztümer
verwaltete, seine Finanzen in Ordnung hielt und großzügig für seine Frau
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