Brenda Joyce
und
seine Kinder sorgte, Punkt. Sein eigener Vater hatte sich zweifellos im Grabe umgedreht,
als Neil Charlotte zum ersten Mal eine Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte.
Und dann hörte er das hochwillkommene Rumpeln
von Kutschenrädern auf der gestreuten Einfahrt. Neil rannte zum Fenster und zog
die schweren, goldfarbenen Veloursvorhänge zur Seite. Als er die Kutsche
seiner Frau dort draußen erblickte, begann er vor Erleichterung zu zittern.
Er hätte nicht mehr leben wollen, wenn ihr oder den Kindern etwas
zugestoßen wäre.
Er schloss die Vorhänge, straffte die
Schultern und bemühte sich, seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, so schwer es ihm auch fiel. Als er ihre
melodische Stimme in der Eingangshalle vernahm, verließ er den Salon. Connie
reichte Mrs. Partridge gerade eine dick vermummte Lucinda, deren Wangen rosig
schimmerten, während Charlotte auf und ab sprang und dem Kindermädchen ihre
neue Puppe zu zeigen versuchte.
Connie, die immer noch ihren Zobelmantel trug, erblickte ihren
Mann und erstarrte.
Er zwang sich zu einem Lächeln. »Da bist du ja! Gott sei Dank! Ich
habe mir solche Sorgen gemacht. Wo warst du denn, Lieb... – Connie?«
Sie reichte dem Dienstboten ihren Mantel und
die Handschuhe. »Ich war mit den Kindern noch im Park. Wir sind Schlittschuh
gelaufen. Und dann sind wir bei meinen Eltern gewesen.« Sie wirkte angespannt,
in ihrem Gesicht war nicht die Spur eines Lächelns zu entdecken. »Die Mädchen
haben dort zu Abend gegessen. Ich habe Fran dabei geholfen, ein Kleid für eine
abendliche Verabredung mit Calder Hart auszusuchen.«
Neil mochte Calder Hart nicht, traute dem Kerl
nicht über den Weg, aber er hatte im Augenblick keine Lust, über seine
Schwägerin oder Hart zu reden. »Ich habe mir Sorgen gemacht, Connie. Warum
hast du mir denn keine Nachricht zukommen lassen, dass du so spät kommst?«
»Das tut mir leid. Ich hatte angenommen, dass
du heute Abend ausgehen würdest.«
»Nein, ich bleibe hier. Ich habe die Köchin
sogar gebeten, uns ein besonderes Abendessen zuzubereiten. Sie macht uns
gebratene Perlhühner – ich weiß doch, dass du sie so gern isst.« Er brachte ein
Lächeln zustande. Wenn sie es doch nur erwidern würde! Aber das tat sie nicht.
Sie stand einfach nur da, eine wunderschöne Frau in einem
wunderschönen blauen Ensemble, die ihn mit kalten Augen musterte.
»Trinkst du einen Sherry mit?«, fragte er, der Verzweiflung nahe,
ergriff aber dennoch ihren Arm.
Sie machte plötzlich einen ausgesprochen ängstlichen Eindruck,
wich ein wenig vor ihm zurück und erwiderte mit einem gezwungenen Lächeln: »Na
schön.« Sie schritt rasch voran in den blauen Salon, der gewöhnlich ihren
Gästen vorbehalten war.
Neil folgte ihr mit blutendem Herzen. Er hatte bisher noch nie die
Qualen eines gebrochenen Herzens erleiden müssen, aber nun konnte er
verstehen, wovon die Dichter in ihren Werken schrieben.
Sie setzte
sich und zupfte ihren Rock zurecht.
Er füllte die Gläser. »Hart macht also deiner Schwester den Hof?«
»Ja.«
»Und du billigst es?«
»Ich bin
der Ansicht, es wäre eine gute Partie.«
Er trat auf sie zu und reichte ihr den Sherry. Dann konnte er
nicht länger an sich halten. »Wir müssen miteinander reden, Connie! Unsere Ehe
ist unerträglich geworden, und ich glaube nicht, dass ich so weiterleben kann!«
Er war selbst schockiert über seinen Gefühlsausbruch.
Sie zuckte zusammen und vergoss dabei etwas von dem Sherry. Ihre
aufgerissenen Augen suchten die seinen. »Wie bitte?«
Er hatte den ersten furchtbaren Schritt getan.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Ich kann so einfach nicht mehr weiterleben.«
Sie erhob sich mit großer Würde, aber dann bemerkte er die Tränen
in ihren Augen. »Ich verstehe.«
»Tust du
das?« Er setzte sein Glas ab.
Sie hob das Kinn. »Zuerst die Affäre und nun ... willst du mich
verlassen.«
Da dies das Letzte war, was er wünschte, dauerte es einen Moment,
ehe er begriff, was sie da sagte. »Aber nein! Ich würde dich niemals
verlassen!«, stieß er fassungslos hervor. Tränen liefen ihr über die Wangen.
Sie kämpfte dagegen an und ihre schmalen Nasenflügel bebten. Sie hielt sich
kerzengerade, die Schultern gestrafft.
Er packte sie an den Armen. »Ich kann diese Ehe so, wie sie jetzt
ist, nicht mehr ertragen!«, rief er leidenschaftlich. »Ich habe dich um
Verzeihung gebeten und nun bitte ich dich, mir eine zweite Chance zu geben.«
»Lass mich los«, flüsterte Connie zitternd. Die Tränen
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