Brenda Joyce
die
Frage nach Francescas Kleiderfarbe und ihrer Frisur klären konnten.« Seine
Stimme klang amüsiert. »Wollen wir uns jetzt zusammen die Ausstellung
ansehen?«
»Eine sehr gute Idee«, stimmte Hart zu, legte Francescas Hand
erneut auf seinen Arm und zog sie an sich. Es war eine ausgesprochen
besitzergreifende Geste, aber in diesem Augenblick hatte Francesca nichts
dagegen.
Sie fand sogar Gefallen daran.
»Können wir morgen beginnen?«, fragte Sarah
an Francescas Seite. Rourke ging in angemessenem Abstand neben ihr her.
»Das würde ich sehr gern, aber ich habe um acht Uhr ein Seminar,
und außerdem bin ich derzeit so sehr mit meinen Ermittlungen beschäftigt«,
erklärte Francesca. »Hat es nicht noch ein paar Tage Zeit?«
Sarah zögerte. »Francesca, du bist dauernd so
beschäftigt. Es wird immer eine andere Entschuldigung geben. Könntest du nicht
nach deinem Seminar vorbeikommen? Gib mir nur eine Stunde – für einige
vorbereitende Skizzen. Aber bring das Kleid mit.« Sie strahlte. »Es ist wunderschön.
Nicht so extravagant wie das rote, aber ich finde, dass es dir sogar noch
besser steht.«
Sie blieben vor einem Landschaftsgemälde
eines russischen Künstlers stehen. Die Farbauswahl war kühl, die Darstellung
einer Hütte im Mondlicht düster und trostlos. Hart ließ Francesca los. Sie sah
zu ihm auf und betrachtete forschend sein Gesicht. Er war offenbar von dem
Bild gefesselt, um das sie selbst nichts gab, das sie vielmehr beunruhigend
fand, und es schien ganz so, als habe er ihre Anwesenheit völlig vergessen.
Aber das
machte ihr nichts aus.
»Isaak Levitan«, murmelte er, während sein Blick über die düstere,
öde Landschaft wanderte. »Ein ganz unglaublicher Künstler.« Er wandte sich
plötzlich wieder Francesca zu und die Ernsthaftigkeit war aus seinen Zügen
verschwunden. »Ich habe die Werke dieses Künstlers im Jahre 1900 bei der Exposition
Universelle in Paris gesehen. Gefällt Ihnen das Bild?«
»Nein«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Aber ich weiß, warum Sie
es mögen.«
Er grinste.
»Und wieso, meine Liebe?«
Sie lächelte. »Weil es die Trostlosigkeit des
russischen Winters heraufbeschwört. Man wird durch die Betrachtung dieser
schneebedeckten Landschaft und des einzelnen Hauses an einen anderen Ort, in
eine andere Zeit versetzt.«
Er sah sie lächelnd an. »Eines Tages werde ich noch eine
Kunstkritikerin aus Ihnen machen, Francesca.«
»Das bezweifle ich«, versetzte sie, errötete jedoch über sein
Kompliment.
Sein Blick wurde nachdenklich. »Soll ich das Gemälde kaufen?«
Sie zuckte zusammen. »Das habe ich wohl kaum zu entscheiden.«
»Nun, ich werde es nicht kaufen, wenn Sie es nicht gutheißen«,
erklärte er.
Sie starrte ihn an. »Calder, kaufen Sie es, wenn es Ihnen
gefällt.«
»Soll ich
das wirklich?«, fragte er geduldig nach.
Sie wusste,
dass er das Gemälde unbedingt haben wollte.
Sie betrachtete noch einmal die schneebedeckte
Landschaft. Auch wenn es eine trostlose Szenerie war, musste sie doch zugeben,
dass das Bild kühn und ausdrucksstark war. Und sollte einen die Kunst nicht
dazu bewegen, innezuhalten, näher hinzuschauen und über Dinge nachzudenken?
»Ja«, entschied sie.
Er lachte, legte den Arm um sie und zog sie an
sich. Sie erstarrte und plötzlich schossen ihr wieder all die Bilder des
heutigen Nachmittags durch den Kopf. Sein Lächeln erstarb. Sein Arm wanderte
aufwärts, bis seine Hand ihren bloßen Nacken umfing. Ein wohliger Schauer
überlief sie. Sie befanden sich in der Öffentlichkeit, und wenn er sie nun
küsste, würde es entsetzliches Gerede geben, aber das war Francesca in diesem
Moment egal. Sie hatte das Gefühl, schon seit einer Ewigkeit auf diesen Kuss zu
warten.
Er lächelte sie an und ließ die Hand sinken. »Dort drüben ist
Hoeltz, Francesca.«
Ihre Begierde wollte einfach nicht nachlassen und sie war
enttäuscht, dass er sie nicht geküsst hatte. Dennoch drehte sie sich rasch um
und folgte seinem Blick. Hoeltz spazierte allein mit einem Glas Rotwein in der
Hand durch die Besucherschar. Er wirkte ernst und beunruhigt, schien mit den
Gedanken woanders zu sein.
Sie kniff die Augen zusammen. Es war ihr
bisher noch gar nicht aufgefallen, wie groß er war. Er überragte die meisten
der Anwesenden um eine Handbreite. Francesca schätzte ihn auf über einen Meter
achtzig. Und er war schlank, allerdings nicht so dürr wie Thomas Neville.
»Hoeltz?«, fragte Sarah. »Meinen Sie etwa Mr.
Hoeltz von der gleichnamigen
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