Brenda Joyce
wandte sich ab, versuchte ihre Fassung wiederzuerlangen.
Was war denn nur los mit ihr? Zuerst heute Nachmittag ihre zügellose Neugierde
und nun dieses unbezwingliche Verlangen, in Harts Arme zu sinken und ihn all
das mit ihr tun zu lassen, was er vor wenigen Stunden mit Daisy getan hatte.
»Francesca!«, rief Sarah hinter ihr und kam auf sie zu. »Das ist
eine ganz wunderbare Ausstellung! Hast du einige der Porträts gesehen? Guten
Abend, Mr. Hart. Ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, dass ich mich
heute Abend Ihrer Gesellschaft anschließen darf.«
Francesca wandte sich Sarah zu und stellte fest, dass diese vor
Glück strahlte. Trotz ihres schrecklichen Kleides sah sie einfach wunderschön
aus. Noch nie hatte Francesca ihre Augen so leuchtend und ihr Gesicht so blühend
gesehen – sie konnte sie nur sprachlos anstarren.
»Es war
Rourkes Idee«, erwiderte Hart.
Rourke warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Wem sollte man wohl
eine Kunstausstellung zeigen, wenn nicht einer Künstlerin?«, versetzte er.
»Es gibt da
ein ganz erstaunliches Porträt zweier Kinder von Walter Frederick Osborne!«,
rief Sarah aufgeregt. »Haben Sie seine Arbeiten schon einmal gesehen?«
»Ja, aber
sie sind für meinen Geschmack für gewöhnlich zu brav und nett«, erklärte Hart
mit einem freundlichen Lächeln. »Wie ich sehe, haben Sie sich wieder
vollständig von Ihrer Erkrankung erholt, Miss Channing.«
»O ja, das habe ich«, rief
Sarah lebhaft. »Heute Abend hierherzukommen war das perfekte Gegenmittel für
meine schwermütige Stimmung. Es ist ja so aufregend, all diese Künstler zu sehen! Haben Sie sich schon den
Degas angeschaut? Ich liebe seine Ballerinen, aber auf dem Bild hier sind
spanische Tänzerinnen zu sehen und es ist recht modern! Mr. Hart, ich würde mit
Francescas Erlaubnis gern umgehend mit dem Porträt beginnen, das Sie in Auftrag
gegeben haben.«
»Ich kann es kaum erwarten, das fertige Gemälde zu sehen«,
versicherte Hart.
Francesca blickte von Hart zu Sarah und wieder zurück. Hart hatte
ein Porträt von ihr in Auftrag gegeben, nachdem er sie beim Ball der Channings nach einem
Tête-à-Tête mit Bragg in ziemlich derangiertem
Zustand angetroffen hatte, der eindeutig darauf schließen ließ, was hinter verschlossenen Türen geschehen war.
Aber Hart hatte nicht nur das Porträt in Auftrag gegeben, sondern auch
vorgeschrieben, dass sie dasselbe rote Ballkleid tragen sollte.
Francesca war schrecklich wütend darüber gewesen, aber auch er
hatte an dem Abend nicht gerade prächtige Laune gehabt.
Sie hatte zwar im Augenblick gar keine Zeit, für ein Porträt
Modell zu sitzen, aber sie war entschlossen, Sarah in ihren Bemühungen zu unterstützen, Anerkennung in der Welt
der Kunst zu erringen – und das würde ihr mit diesem Auftrag ganz sicher
gelingen. Sie hatte sich sogar mehr schlecht als recht mit der Tatsache
abgefunden, dass Hart beabsichtigte, ihr Porträt an seine Wand zu hängen.
Und nun musste sie sich eingestehen, dass sie
diese Vorstellung nicht einmal mehr bestürzte. Aber schließlich hatte sich
die Situation inzwischen völlig verändert. Braggs Frau war zurückgekommen und
Calder Hart wollte Francesca heiraten.
Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn anstarrte – und er erwiderte
ihren Blick.
Hart schien wieder einmal ihre Gedanken lesen zu können, denn er
sagte nun zu Sarah, ohne dabei den Blick von Francesca zu wenden: »Aber Sie
sollten eine Änderung vornehmen. Ich bevorzuge das Kleid, das Francesca heute
trägt. Vorausgesetzt, sie trägt ihr Haar offen.«
Francesca vermochte ihren Blick einfach nicht
von ihm abzuwenden und ihr Körper regte sich, während ihr Herz immer schneller
schlug. Es wurde ihr bewusst, dass das rote Kleid für sie beide eine Erinnerung
an jenen Abend darstellte, die keiner von ihnen wollte. »Mein Haar sollte
aufgesteckt sein, Hart.«
Damen posierten für Porträts im Allgemeinen in ihren Ballkleidern
und ihrem Schmuck, das Haar mit der Brennschere in Wellen gelegt und
sorgfältig aufgesteckt.
»Nein«, beharrte er mit einem kleinen Lächeln, das das ihre
widerspiegelte. »Ich möchte, dass es offen ist.«
Wärme erfüllte ihre Lenden. »Sie werden es unmöglich an einen
öffentlich zugänglichen Ort hängen können. Das wäre zu anzüglich.«
»Ich hatte beabsichtigt, es in mein Schlafzimmer zu hängen«,
versetzte er.
Darauf wusste Francesca nichts zu erwidern. Sie schwieg, erregt
und atemlos.
Rourke hüstelte. »Es freut mich, dass wir
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