Brenda Joyce
Hure. Sie sind keine Frau, für die ich bezahlt
habe. Wir bewundern und respektieren und gefallen einander, und diese Dinge
sind mir sehr wichtig, denn ich habe sie vorher noch niemals mit einer Frau
geteilt. Wenn wir miteinander ins Bett gehen, dann möchte ich, dass wir beide
allein sind.«
Sie begann langsam zu begreifen. Und sie spürte ein aufrichtiges
Bedauern in sich aufsteigen, dass sie ihm nachspioniert hatte. Es würde lange
Zeit dauern – falls es überhaupt jemals möglich sein würde –, bevor sie imstande
wäre, zu vergessen, was sie gesehen hatte.
»Aber aufgrund Ihres albernen, unwiderruflichen Verhaltens wird
Daisy wohl von nun an immer mit uns im Bett sein, nicht wahr?«
Francesca war mit einem Mal nach Weinen zumute. »Ich hätte doch
nie gedacht ...«
»Nein,
gedacht haben Sie wohl nicht.«
»Aber es wird doch nichts weiter als eine
Erinnerung sein.«
»Eine, die
all den Momenten, die wir miteinander verbringen werden, einen üblen
Beigeschmack verleiht.«
»Aber was
ist mit all Ihren Erinnerungen?«, rief sie. »Werden die Sie nicht zu
ungelegenen Zeiten überfallen?«
Er
verdrehte die Augen. »Ich denke niemals über die Frauen nach, mit denen ich
das Bett geteilt habe, Francesca. Jede Einzelne war und ist bedeutungslos für
mich.«
Sie starrte
ihn an und ein Hochgefühl überkam sie. »Sogar Daisy?«
»Sogar Daisy«, sagte er. Ein Lächeln schlich sich in seine
Mundwinkel, doch er fing sich rasch wieder, als weigere er sich nachzugeben. Er
ergriff ihre Hand und zog sie in seine Arme.
»Wie könnte irgendeine Frau im
Vergleich zu Ihnen bestehen?«, fragte er und endlich klang seine Stimme
wärmer.
»Leicht, fürchte ich«,
erwiderte sie, aber sie lächelte und ihre Blicke senkten sich ineinander.
»Werden Sie mir vergeben, was ich getan habe?«
»Vielleicht morgen«, versetzte er, aber sein Tonfall war nun
wieder scherzhaft. »Wie ich sehe, wird unsere Ehe kein Zuckerschlecken werden.«
»Mit morgen kann ich leben«, sagte sie und
legte ihre Wange an seine Brust. Seine Hand strich über ihr frisiertes Haar.
Sie fühlte wieder Verlangen in sich aufsteigen. »Könnten wir
unsere Abmachung nicht mit einem Kuss besiegeln?«, flüsterte sie und blickte zu
ihm auf.
Er schaute zärtlich auf sie herab, vermochte seine Belustigung
aber nicht zu verbergen. »Sie haben also wirklich alles gesehen?«
Sie nickte
errötend. »Alles, Hart. Ohne Ausnahme.«
Er starrte sie nachdenklich an.
Francesca hielt erwartungsvoll den Atem an. Aber mit seinen nächsten Worten
hätte sie nicht gerechnet.
»Dann
lassen Sie uns mit Ihrem Unterricht beginnen.«
Rourke und Sarah blieben in der Eingangshalle stehen. Der Türsteher nahm
Sarahs Mantel entgegen und sie bedankte sich bei ihm. Sie war sich überaus
bewusst, dass Rourke hinter ihr stand, und sagte: »Sie müssen nicht länger
aufbleiben, Henry. Ich werde die Haustür abschließen, sobald der Gentleman
gegangen ist.«
»Vielen Dank, Miss Channing. Ich wünsche eine gute Nacht«,
erwiderte Henry und entfernte sich.
Und ließ sie allein mit einem Fremden.
»Ich hoffe, Sie haben den Abend genossen«,
sagte Rourke ein wenig geistesabwesend. Er schaute aus dem Fenster neben der
Haustür. Sarah fragte sich, warum er das wohl tat, und hoffte, er möge bald
gehen. Aber das musste er ja, weil Hart und Francesca draußen in der Kutsche
auf ihn warteten.
»Es war ein sehr vergnüglicher Abend und ich
bin froh, dass Mr. Hart den Levitan gekauft hat. Er ist einfach herrlich.« Sie
wurde ganz aufgeregt, wenn sie nur an dieses wunderbare Gemälde mit der
russischen Landschaft dachte.
Rourke trat näher an das Fenster, als habe er
sie gar nicht gehört. »Hat Bragg seine Leute abgezogen? Ich sehe dort draußen
keinen einzigen Polizisten.«
Sarah reagierte nervös. Sie trat an seine
Seite, um selbst hinauszusehen. Rourke hatte recht. Draußen war kein Polizist
zu sehen. Und jetzt, da sie so dicht neben ihm stand, fühlte sie sich kleiner
und magerer als jemals zuvor. Sie wich einen Schritt zurück. »Es sieht ganz so
aus. Aber Sie haben ja selbst gesagt, dass ich nicht in Gefahr bin und Miss
Conway in Wahrheit das Ziel des Mörders gewesen ist.«
Er begegnete ihrem Blick und obwohl er lächelte, bemerkte sie
doch den Ernst in seinen Augen. »Ja, und davon bin ich auch überzeugt, aber bis
dieser Mörder gefasst ist, sollte mein Bruder seine Männer hierlassen.«
»Nun, Ihr Bruder weiß sicher, was er tut«,
versetzte Sarah ein wenig schärfer als nötig.
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