Brenda Joyce
Freundin den Flur entlanggewankt kam, das Gesicht
gespenstisch bleich und den Hals mit hässlichen roten Flecken übersät. Rourke
rannte auf sie zu. »Was tun Sie denn da?«, schalt er sie mit sanfter Stimme.
»Ich konnte nicht da drin bleiben«, flüsterte sie, und Tränen
stiegen ihr in die Augen. »Was, wenn er noch einmal wiederkommt?«
»Er kommt nicht wieder«, versicherte ihr Rourke und hob sie auf
seine Arme, als wöge sie nicht mehr als ein kleines Mädchen. »Hart holt die
Polizei.«
Sarah gab sich große Mühe, tapfer zu sein. »Sie müssen mich nicht
tragen, Rourke. Ich kann laufen.«
»Doch, das muss ich«, erwiderte er mit einer Stimme, die keinen
Widerspruch duldete.
Francesca eilte herbei und fasste Sarahs
Schulter, während Rourke die junge Frau in das nächstgelegene Zimmer – eine
große Bibliothek – trug. »Legen Sie sie doch auf das Sofa, Rourke. Ich werde
mich zu ihr setzen, und Sie können inzwischen die Dienstboten wecken. Wir
benötigen Feuer im Kamin, Wasser und Tee.« Ihre Gedanken überschlugen sich.
»Nein, ein Scotch wäre besser.«
»Meine Arzttasche ist bei Hart«, sagte Rourke
offensichtlich verstimmt. »Ich werde einen Dienstboten zu Doktor Finney
schicken.« Er legte Sarah so vorsichtig auf das große blaue Sofa, als fürchtete er,
sie könne dabei zerbrechen. Francesca schaltete die Lampe auf dem
Beistelltisch ein. »Ich komme sofort wieder«, versprach er.
Sarah sah ihn an. Ihr Gesicht war vor Furcht und Anspannung
verzerrt, aber es trug auch seltsamerweise einen Ausdruck finsterer
Entschlossenheit. »Wecken Sie auf keinen Fall meine Mutter. Ich könnte im
Augenblick keinen ihrer hysterischen Anfälle ertragen.«
Rourke zögerte.
Francesca setzte sich neben Sarah und legte
den Arm um sie. Wie klein und zierlich sie doch war, dachte sie. »Rourke? Sehen
Sie zu, dass Sie ohne Aufhebens nur einen der Dienstboten wecken. Am besten
eins der Hausmädchen.«
Er warf ihr einen verzweifelten Blick zu, der ihr bedeutete, dass
er den Erstbesten wecken würde, an dessen Tür er gelangte.
Sarah sagte: »Die Dienstboten, die im Haus schlafen, sind im
dritten Stock untergebracht. Aber das Zimmer der Haushälterin befindet sich
hinter der Küche.«
Er nickte und schritt davon, wobei er die Tür
weit offen ließ.
Francesca wäre es lieber gewesen, er hätte
vorher ein Feuer im Kamin entzündet. »Geht es dir auch gut?«, fragte sie, erhob
sich und schaltete eine weitere Lampe ein. Aber die Bibliothek wirkte noch
immer riesig und überall waren bedrohliche Schatten. Großer Gott, hinter den
Vorhängen konnte sich ein Mann leicht verstecken, dachte sie.
»Nein, nicht wirklich. Ich hätte doch so gern mit einigen
Zeichnungen von dir begonnen, Francesca«, flüsterte sie und verstummte.
Francesca setzte sich wieder zu ihr. »Du musst mir erzählen, was
geschehen ist.«
»Ich weiß.« Sarah sah sie furchtsam an. »Aber ich kann das
unmöglich vor Rourke oder sonst jemandem tun.«
»Ist schon gut.« Sie griff nach Sarahs Händen und drückte sie.
»Hast du ihn erkannt?«
»Er hat mich von hinten angegriffen. Ich habe
sein Gesicht nicht gesehen, Francesca.« Sie begann furchtbar zu zittern.
Tränen traten ihr in die Augen. »Als er mich gegen die Wand drückte, da wusste
ich, dass es derselbe Mann war, der mich schon in der letzten Woche angegriffen
hatte!«
»Wie bitte?«, stieß Francesca atemlos hervor.
»Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du angegriffen wurdest.«
»Ich konnte es einfach nicht. Ich war nicht
imstande, darüber zu reden. Es war alles so schrecklich, dass ich mich
geweigert habe, darüber nachzudenken«, erklärte sie.
»Ich verstehe nicht«, sagte Francesca leise.
»Mir geht es genauso.« Sarah wischte sich
wütend eine Träne ab. »Ich hatte so schreckliche Angst. Ich habe mir wohl
eingebildet, wenn ich so tue, als sei nichts geschehen, wäre die ganze
Angelegenheit irgendwie vorbei, es wäre vielleicht gar nicht wirklich
geschehen. Ich wollte nur nicht darüber nachdenken – so einfach ist das.« Ihre Lippen
zitterten und sie begegnete Francescas Blick. »Es tut mir leid, dass ich ausgerechnet dich angelogen habe, Francesca. Ich bitte
dich um Verständnis.«
»Ist schon gut«, sagte Francesca noch einmal tröstend.
»Nein, das ist es eben nicht.« Sarah schluckte schwer. »Er
erscheint mir in meinen Träumen, Francesca.«
Francesca umarmte sie fest. »Du Ärmste! Aber
du musst mir dennoch erzählen, was geschehen ist, Sarah – nicht nur
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