Brenda Joyce
als er Evan zu der
Verlobung mit Sarah Channing zwang. Evan besaß kein Rückgrat, hatte keine
Ambitionen. Er unterschied sich von seinen beiden Eltern wie die Nacht vom
Tag. Er war die größte Enttäuschung, die Andrew jemals erlitten hatte. Er fragte sich,
womit er einen solchen Dummkopf zum Sohn verdient hatte, dessen einzige
Interessen dem Glücksspiel und liederlichen Frauen galten. Einen Sohn, der ihn
zu verachten schien, einen Sohn, der ihm keinen Respekt erwies. Denn nur
völlige Respektlosigkeit konnte Evan dazu veranlassen, seinen eigenen Vater und
sein Geburtsrecht zu verleugnen, damit er eine anständige Frau wie Miss
Channing nicht heiraten musste.
Andrew nahm neben Julia Platz. »Unsere Familie durchlebt momentan
eine schwierige Zeit, aber wir werden das durchstehen und gestärkt daraus
hervorgehen, Julia. Dafür werde ich sorgen.«
Sie blickte ihn mit feuchten Augen an, aber er sah die Hoffnung
darin. Und dann nahm sie seine Hand. »Ich danke dir, Andrew«, sagte sie.
Er stutzte, drückte jedoch erfreut ihre Hand, wollte sie schier
nicht mehr loslassen. »Wofür denn?«
»Dafür, dass du wieder einmal mein Fels in der Brandung bist.«
Da musste er lächeln. »Ich kann doch nicht zulassen, dass diese
Familie auseinanderbricht, Julia.«
»Und ich kann es ebenso wenig.« Sie zögerte.
»Es tut mir leid, dass wir gestritten haben. Aber Evans plötzlicher Entschluss,
sich von seinem Elternhaus loszusagen, hat mir einen furchtbaren Schrecken
eingejagt. Ich würde lieber sterben, als meinen Sohn zu verlieren.«
Andrew schloss sie in die Arme. »Ich weiß.« Seine Frau liebte
ihren einzigen Sohn abgöttisch und sah nur das Gute in ihm, niemals den Prasser
und den Liederling.
»Erlaube ihm doch bitte, seine Verlobung mit Sarah zu lösen«,
flehte ihn Julia an. »Bitte gönne ihm doch dieses eine Mal einen Sieg, damit er
bei uns bleibt.«
»Es geht doch hier nicht ums Siegen!«, rief Andrew und ließ sie
los. »Ich wollte ja nur das Beste für Evan! Und jetzt spielt es ohnehin keine
Rolle mehr, was ich tue, denn er ist entschlossen, diese Verlobung auf jeden
Fall zu lösen – genauso wie er entschlossen ist, diesem Haus und der Firma den
Rücken zu kehren.«
»Aber wenn du mit ihm redest, dich
entschuldigst, ihm sagst, dass du im Unrecht gewesen bist, dann würde er
bleiben, das weiß ich.«
Andrew erstarrte. »Aber ich war nicht im
Unrecht.«
»Ich weiß. Ich weiß auch, warum du wolltest,
dass Sarah seine Frau wird. Ich selbst war zum damaligen Zeitpunkt ganz deiner
Meinung. Aber jetzt ist alles anders. Ich bitte dich, zu ihm zu gehen und ihm
zu sagen, dass er recht hatte und du unrecht. Versöhne dich mit ihm, Andrew.
Ich bitte dich. Ich möchte meinen Sohn nicht verlieren!«
Er erhob sich schwerfällig. Er liebte Julia
und würde alles für sie tun, aber er liebte auch seinen Sohn. Wenn er jetzt
nachgab, wäre lediglich Julia geholfen, und auch nur für den Moment. Es war an
der Zeit, dass Evan zum Mann wurde. Ihn zu verwöhnen führte zu nichts. »Es ist
an der Zeit, dass Evan erwachsen wird«, entgegnete Andrew ruhig. »Bitte
versuche das doch zu verstehen. Er muss seinen Weg im Leben finden. Er braucht
ein Ziel, braucht Ehrgeiz. Wenn ich ihn verhätschele, wird er weiterhin
derselbe verwöhnte junge Mann bleiben.«
»Wie kannst du nur zulassen,
dass er die Firma verlässt und aus diesem Haus auszieht!«, stieß Julia hervor.
»Ich habe darüber nachgedacht.
Ich glaube, es ist das Beste so. Möglicherweise ist es sogar besser für ihn als
eine Ehe mit Miss Channing«, sagte er.
Julia
schrie auf.
Er fasste sie am Arm. »Kehr du mir nicht auch
noch den Rücken. Ich tue das für Evan. Julia, du hast mir fünfundzwanzig Jahre
lang vertraut. Vertraue mir auch jetzt.« Er zögerte, ehe er hinzufügte: »Bitte.
Ich brauche dich.« Sie starrte ihn an. »Ich weiß nicht, ob ich das kann, Andrew.«
»Du bist die stärkste Frau, die ich kenne. Du kannst ihn gehen
lassen. Vertrau mir, Julia, es ist besser so.«
»Du hast
ihn nie geliebt«, flüsterte sie.
»Da täuschst du dich. Ich liebe ihn so sehr,
dass es wehtut.«
Maggie war überrascht, Evan nicht im Bett, sondern auf einen Stock
gestützt vor der Marmoreinfassung des Kamins vorzufinden. Er schien in
Gedanken versunken und sie glaubte zu wissen, was ihm durch den Kopf ging. Das
Herz tat ihr weh, wenn sie daran dachte, was er zurzeit durchmachte.
Einen Moment lang vermochte sie ihn nur anzustarren, denn seine
Erscheinung war so prächtig
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