Brenda Joyce
hinaus.
Die Mietdroschke rollte davon, Harts lange, gepflasterte Auffahrt
hinunter, durch das hohe, imposante schmiedeeiserne Tor und auf die Fifth
Avenue hinaus. Francesca stand heftig zitternd in der Auffahrt, wo sie aus der
Droschke gestiegen war, und blickte an der eindrucksvollen Fassade seines Hauses
hinauf. Tränen verschleierten ihre Sicht, doch sie kämpfte gegen sie an. Warum
bloß war sie derart aufgebracht und verletzt? Bragg und Leigh Anne hatten sich
versöhnt, und er hatte jedes Recht, mit seiner Frau zu schlafen.
Aber es war mehr als das. Sie war überfallen und beinahe
vergewaltigt worden, während er die andere Frau liebte. Er behauptete noch
immer, sie zu verachten, aber das stimmte offensichtlich nicht.
»Miss Cahill? Es is verdammt kalt. Lassen Sie uns reingehen.«
Francesca sah sich außerstande, Harts Haus zu
betreten. Nicht jetzt, nicht unter diesen Umständen. »Ich gehe nach Hause«,
flüsterte sie. Harts dunkle, sardonische Erscheinung schob sich vor das Bild
von Bragg und Leigh Anne. Sie wandte sich ab, hörte wieder die ordinären Drohungen
des Würgers. Ihr wurde speiübel und sie beschleunigte ihren Schritt.
Sie spürte, wie ihr die Tränen über das Gesicht liefen, und fuhr
sich mit den Händen über die Wangen, wobei ihr bewusst wurde, dass sie keine
Handschuhe trug. Sie musste sie irgendwann verloren haben.
Francesca eilte die Auffahrt hinunter und bemühte sich
verzweifelt, die Ereignisse des Abends aus ihren Gedanken zu verdrängen. Aber
das war schlichtweg unmöglich. Außerdem hatte Joel recht gehabt, es war
schrecklich kalt, zu kalt, um sich im Freien aufzuhalten. Und dann hörte sie Joel hinter sich – der Schnee knirschte unter seinen hastigen
Schritten.
»Was in Gottes Namen tun Sie da?«, fragte Hart, als er sie
eingeholt hatte, und packte sie am Arm.
Er drehte sie zu sich herum, und sie blickte in sein attraktives
Gesicht und schüttelte nur den Kopf, mit einem Mal unfähig, ein Wort
herauszubringen.
»Joel sagte, Sie seien überfallen worden!«, rief er.
Sie befeuchtete ihre Lippen, wollte ihm versichern, dass es ihr
gutging, doch es kam noch immer kein Wort aus ihrem Mund. Stattdessen begann
sie am ganzen Leib zu zittern. Wieder sah sie all die Bilder vor sich: Leigh
Anne, wie sie mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen in ihrem Morgenmantel
dastand, Leigh Anne mit Bragg im Bett, der Würger, der in die Nacht entkam.
Sie standen ein Stück weit vom Haus entfernt, so dass Hart, obwohl
er so dicht bei ihr stand, eine schattenhafte Gestalt blieb. »Es geht Ihnen gar
nicht gut«, stellte er nüchtern fest, legte den Arm um sie und zog sie an
sich. Er war in Hemdsärmeln. »Kommen Sie herein! Sie sind ja eiskalt! Und Sie
zittern wie Espenlaub.«
Sie musste das Wort unbedingt herausbringen. »Danke«, flüsterte
sie.
Er legte den Arm fester um sie und geleitete sie die Auffahrt
hinauf. »Ich wage kaum zu fragen, was mit Ihrer Stimme geschehen ist«, sagte er
grimmig.
Sie schloss die Augen, vertraute sich seinen
kräftigen Armen an, während er sie die Stufen hinauf ins Haus führte. Wann
war dieser Mann zu ihrem sicheren Hafen geworden? Sie versuchte sich in
Erinnerung zu rufen, dass er gefährlich war, doch es wollte ihr einfach nicht mehr gelingen.
In der Eingangshalle blieb er stehen. Francesca schlug die Augen
auf und sah, dass er sie anstarrte. Sie versuchte zu lächeln, was ihr misslang.
»Es ... es geht mir gut.«
Seine Kiefermuskeln waren angespannt, seine Augen tiefschwarz.
»Nehmen Sie Miss Cahill den Mantel ab, Alfred«, fuhr er den Dienstboten an.
»Und holen Sie sofort Rourke her.« Harts Tonfall hatte etwas so Unheilvolles an
sich, dass Francesca zu Alfred hinüberschaute um zu sehen, ob dieser womöglich
um sein Leben fürchtete.
Doch Alfred machte einen
unglaublich bekümmerten Eindruck, als er ihr den Mantel von den Schultern zog.
»Und bringen Sie einen Scotch«,
sagte Hart mit derselben wütenden, erstickten Stimme. »Zwei Gläser – eine
Flasche«, fügte er hinzu.
»Es geht mir gut«, wiederholte Francesca, dankbar, dass ihre
Fähigkeit zu sprechen zurückkehrte und ihre Stimme weniger heiser klang – auch
wenn jedes Wort einen brennenden Schmerz in ihrer Kehle verursachte.
»Ihr Gesicht ist zerkratzt. Die Haut an ihrem
Hals läuft blau an. Es geht Ihnen durchaus nicht gut«, widersprach er und
führte sie in einen kleinen Salon, den sie vorher noch nie betreten hatte.
»Wurden Sie von dem Würger angegriffen?«
Sie nickte,
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