Brenda Joyce
diese Weise
instinktiv mehr Abstand zu ihm. Ohne sich umzudrehen, die Hände auf den
Esstisch gestützt, berichtete sie ihm von ihrer Unterredung mit LeFarge und wie
sie Thomas Neville im Royal entdeckt hatte. Sie offenbarte ihm, dass Evan und
Thomas miteinander bekannt waren und dass Melinda Neville gern ein Porträt von
Evan gemalt hätte, dieser also gelogen hatte, als er behauptete, sie nicht zu
kennen. Und dass sie nur wenige Augenblicke nach dem Verlassen des Spielsalons
überfallen worden war.
Francesca spürte, wie sie sich erneut
verkrampfte, als sie sich daran erinnerte, wie der Angreifer sie ohne Vorwarnung
von hinten gepackt hatte. Die Erinnerung daran war so lebendig, dass sie sich
fast real anfühlte. Ganz so, als geschähe der Überfall immer und immer wieder.
»Ich habe gar nicht gehört, wie er sich mir von hinten näherte, Bragg«,
flüsterte sie. »Er war so flink, dass ich nicht einmal einen Blick auf ihn
erhaschen konnte. Er hat mich in die Gasse gezerrt und gegen die Mauer gepresst
und ...« Sie verstummte. »Den Rest kennst du ja.«
Er stieß einen Fluch aus. »Hoeltz hat kein Geständnis abgelegt,
Francesca. Und wir haben ihn über Nacht dabehalten – er ist also auf keinen
Fall unser Mann.«
Francesca starrte ihn an. Ihr wurde bewusst,
dass sie schwitzte, und sie spürte, wie sich in ihrem Inneren vor Angst alles
zusammenzog. »Hoeltz war es auch nicht, Bragg.«
Er fuhr zusammen. »Newman sagte, dass du den Angreifer nicht
identifizieren konntest.«
Sie schluckte. »Brendan Farr ist der Mann,
den wir suchen.«
»Wie bitte?«, keuchte Bragg.
»Ich dachte zuerst, es sei Hoeltz. Jede Spur,
jeder Hinweis deutete auf den Liebhaber, der den Laufpass bekommen hatte und
doch nicht von seiner großen Liebe lassen wollte. Es lag nahe zu vermuten, dass
er in seiner Wut über die Zurückweisung Melindas Studio verwüstet und seine
ehemalige Geliebte vielleicht sogar angegriffen hat und dabei von Grace Conway
ertappt wurde. Wie einfach wäre es doch, zu behaupten, dass Hoeltz sie ermordet
hat, um die Tat zu vertuschen – und Miss Holmes später ebenso. Ich habe sogar
in Erwägung gezogen, dass er zuerst Sarah überfallen hat, gewissermaßen stellvertretend
für seine Mätresse, und ihm diese Tat dann doch nicht genügte. Danach war dann
ich an der Reihe, weil ich der Wahrheit zu nahe kam.« Sie lächelte Bragg
grimmig an. »Ich habe sogar Thomas Neville als unseren Mörder verdächtigt, weil
ihn möglicherweise eine Hassliebe mit seiner Schwester verbindet. Aber er ist
nicht unser Mann.«
»Du hast gerade meinen Polizeichef beschuldigt, der Würger zu
sein, Francesca. Ist dir klar, wie ernst eine solche Anschuldigung ist?« Er
blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an, in denen ein harter Ausdruck lag.
»Welchen Beweis hast du dafür?«
Sie musste sich setzen. Klammerte sich an die Tischkante, denn
jede einzelne Erinnerung an den Überfall widerte sie an. Sie schluckte. »Bevor Farr gestern Abend dieses Haus verließ,
habe ich zufällig mit angehört, wie er eine Bemerkung über Calder machte. Er
sagte: » Jeder weis doch, dass Calder Hart es gern mit Huren treibt. Und
dann hat er mich über die Schulter angesehen – und ist gegangen.«
Bragg kam auf sie zu. »Das ist dein Beweis?«, fragte er ungläubig.
»Ich weiß.« Sie schlug die Augen nieder, bemerkte, dass ihre Hände
zitterten, und verbarg sie im Schoß. »Bei Tageslicht betrachtet klingt es
albern und lächerlich.« Aber sie hatte recht, dessen war sie sich ganz sicher.
»Du musst dich täuschen«, sagte Bragg mit fester Stimme. »Du hast
keinen Beweis, nicht einmal die kleinste Spur!«
»Da ist nur dieses Gefühl«, gestand sie und sah ihn an. Ihr war
selbst klar, wie albern und unprofessionell das klingen musste. »Ich habe jetzt
schreckliche Angst vor ihm«, fügte sie hinzu.
Bragg schien drauf und dran, sie in seine Arme zu ziehen.
Francesca spürte, wie er mit sich rang, doch am Ende siegte seine
Selbstdisziplin. »In der Vergangenheit hat dich dein Instinkt selten getrogen«,
sagte er langsam.
Francesca nickte. »Das stimmt.«
Bragg setzte sich neben sie an den Tisch und nahm ihre Hände
endlich in die seinen. »Nenn mir sein Motiv, Francesca.«
Sie atmete tief durch. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie zitterte.
»Er hasst mich.«
Bragg starrte sie an, sichtlich bemüht, nicht ungläubig zu
erscheinen, was ihm aber nicht so recht gelingen wollte.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher