Brenda Joyce
sagte: »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, Mr.
Neville.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.« Neville
seufzte erneut. »Aber könnte ich vielleicht einen Kaffee bekommen?«
Bevor Farr reagieren konnte, sagte Francesca
an ihn und Bragg gewandt: »Ich werde Sie beide wohl jetzt besser Ihre Arbeit
tun lassen.« Ihr Lächeln fühlte sich matt an und sie spürte, dass sie rot
wurde. »Bragg?« Sie deutete zur Tür.
Er begleitete sie einige Schritte darauf zu, ehe sie stehen
blieben und sich in Hörweite von Farr und Neville unterhielten. »Wir übersehen
irgendetwas, Bragg«, sagte Francesca leise, aber doch laut genug, dass es alle
im Zimmer mitbekamen. »Das spüre ich. Ich werde noch einmal in Miss Nevilles
Wohnung gehen und sehen, was ich herausfinden kann.«
Bragg seufzte. »Ich glaube, dass Sie sich irren, aber meinetwegen
gehen Sie ruhig. Ich würde mich Ihnen anschließen, aber ich habe leider eine Verabredung zum
Mittagessen.« Er sah sie an und sie las die Besorgnis in seinen Augen.
»Ich komme schon allein zurecht.« Francesca
lächelte ihn an, aber ihr Herz raste vor Aufregung. Sie getraute sich nicht,
noch einmal zu Brendan Farr hinüberzuschauen. Stattdessen warf sie Bragg einen
letzten Blick zu und verließ hastig das Zimmer.
Ihr war ganz elend vor Furcht.
Francesca
wartete.
Draußen vor Melinda Nevilles Tür hatte kein
Polizist mehr gestanden und sie hatte die Wohnungsschlüssel vor dem Verlassen
des Präsidiums erhalten. Bragg hatte ein halbes Dutzend Streifenpolizisten in
Louis Bennetts Wohnung auf der anderen Seite des Flurs versteckt. Inzwischen
hielt sich auch der Commissioner selbst mit weiteren Männern irgendwo draußen
vor dem Sandsteinhaus auf und erwartete ihr Zeichen vom Fenster – oder ihren
Schrei. Francescas Wangen brannten. Sie hielt sich bereits eine Stunde in
Melinda Nevilles Wohnung auf. Inzwischen war Farr gewiss mit der Vernehmung
von Thomas Neville fertig. Wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag, würde er
schon bald hier auftauchen. Sie hatte solche Angst, dass sie nur schnell und
flach zu atmen vermochte.
Francesca rutschte unruhig hin und her. Sie saß auf dem Sofa im
Salon, nicht weit entfernt von dem Kreideumriss, der die Lage von Grace Conways
Leiche auf dem Boden markierte. Es war eine sehr anschauliche Mahnung, wozu der
Mörder fähig war. Trotz der kleinen Tischleuchte, die sie eingeschaltet hatte,
lag das Zimmer größtenteils im Dunkeln da. Sie hatte außerdem eine Lampe im Schlafzimmer
eingeschaltet und die Tür offen gelassen. Ihre Panik wuchs. Es wurde allmählich
Zeit, dass sie tat, als suche sie die Wohnung nach einer weiteren Spur ab.
Francesca stand auf und bemühte sich ruhiger zu atmen, was ihr
jedoch nicht gelang. Es fiel ihr schwer, nicht auf die Wohnungstür zu starren,
die sie zwar zugezogen, aber nicht abgeschlossen hatte, um den Würger zu
ermutigen, die Wohnung zu betreten – und ihr in die Falle zu gehen.
Aber sie musste herumlaufen und dem Würger die Möglichkeit geben,
die Wohnung zu betreten und sich an sie heranzuschleichen. Da, gerade als sich
Francesca dazu zwingen wollte, ins Schlafzimmer zu gehen, bemerkte sie eine
Bewegung hinter sich, die sie dazu brachte, herumzuwirbeln.
Eine Maus huschte über den Holzboden und verschwand unter dem
Sofa.
Sie lachte erleichtert, drehte sich wieder um und stieß einen
erstickten Schrei aus.
Thomas Neville stand im Rahmen der Schlafzimmertür. Für einen
Moment starrte sie ihn wie benommen an – Neville war also der Mann, den sie
suchten.
Sie wirbelte herum, er packte sie von hinten und hielt sie zurück,
aber gerade als sie den Mund öffnete, um einen lauten Schrei auszustoßen, wurde
ihr bewusst, dass er keinen Strumpf über dem Gesicht trug. Sie drehte sich
langsam wieder um und sah, dass er weinte.
Er stand reglos da und die Tränen strömten ihm über das Gesicht.
»Sie ist tot, nicht wahr? Das ist der Grund,
warum sie niemand finden kann. Ist sie wirklich tot?«, schluchzte er und ließ
die Hand sinken.
Francesca wich langsam zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Ich fürchte, ja. Es tut mir sehr leid.«
Neville ging zum Sofa hinüber und ließ sich weinend daraufsinken.
Francesca starrte ihn an. Thomas Neville war nicht ihr Mörder. Sie
ging zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn. »Sie haben sie nicht umgebracht,
nicht wahr?«
Er schluchzte, das Gesicht in den Händen
vergraben. »Nein, ich habe sie geliebt. Sie war die Mutter, die ich nie hatte.«
Er
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