Brenda Joyce
Blick wich nicht von Francesca, doch seine Augen
verdüsterten sich noch mehr. »Scher dich raus, Calder«, versetzte er.
»Ich muss doch wohl sehr bitten«, erwiderte
Hart ruhig. »Dies hier ist mein Haus. Wenn sich jemand rausschert, dann du.«
Bragg wirbelte herum.
Francesca spürte, dass er ernsthaft beabsichtigte, auf seinen
Halbbruder loszugehen, und sie sprang auf. »Nicht jetzt!«, rief sie laut.
Hart bedachte Bragg mit einem unfreundlichen Lächeln. Er hatte
offensichtlich mit einem Schlag gerechnet und sich darauf gefreut, ihn erwidern
zu können.
»Calder, würden Sie uns bitte für einen Moment
allein lassen?«, bat sie, trat auf ihn zu und berührte seine Hand.
Er zuckte zusammen und sah sie an. Dann nickte er mit angewiderter
Miene und marschierte hinaus.
Er ließ die beiden Türflügel offen. Francesca ging hin und schloss
sie. Dann verharrte sie einen Augenblick und atmete tief durch, ehe sie sich
Rick Bragg zuwandte.
»Du bist gestern Abend überfallen worden! Und ich muss davon heute
Morgen erst im Präsidium erfahren?«, hielt er ihr vor, ungläubig, mit kaum
verhohlener Wut.
Sie blieb an der Tür stehen und hielt im Rücken die beiden
Messingknäufe umklammert. Sie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren sollte,
aber sie und Bragg waren immer aufrichtig und ehrlich zueinander gewesen. »Ich
bin zuerst zu dir gekommen«, erwiderte sie und hörte, wie rauh ihre Stimme
klang.
Er starrte sie an und seine Augen weiteten sich, als ihm dämmerte,
was geschehen war.
»Leigh Anne sagte, du schliefst bereits.« Francesca blickte ihm
geradewegs in die Augen, gab sich Mühe, ein Zittern zu unterdrücken und ihn
anzulächeln. »Ich kam ganz offensichtlich ungelegen, daher bin ich wieder
gegangen.« Sie straffte ihre Schultern mit aller Würde, die sie aufzubringen
vermochte.
Er lief rot an.
Francesca hob die Hand, spürte, dass er eine
Erklärung abzugeben gedachte, die sie gar nicht hören wollte. »Ich habe einen
großen Fehler begangen. Ich hätte niemals zu solch einer Uhrzeit vorbeikommen
sollen. Du bist verheiratet. Bitte versuche nichts zu erklären. Lassen wir die
Sache auf sich beruhen.«
»Verdammt!«, stieß er hervor. »Du verstehst nicht – ich verstehe
es ja selbst nicht! Wie schlimm bist du verletzt? Newman hat mir alles
erzählt.« Er trat auf sie zu, blieb aber vor ihr stehen, ohne sie zu berühren.
Wie eigenartig das war. Vor gar nicht so langer Zeit hätte er sie
noch in die Arme genommen, sie festgehalten, sie getröstet, liebkost. Er war
einmal ihre sichere Zuflucht gewesen. Aber all das hatte sich am gestrigen
Abend schlagartig geändert. Oder war es eine schleichende Veränderung gewesen?
Sie öffnete den Mund, um ihm mitzuteilen, dass es ihr gutging, denn das wäre
besser, als über sein Privatleben zu reden.
Aber es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatten sie einander alles erzählen können. Nun jedoch stand seine Frau wie eine
unüberwindbare Backsteinmauer zwischen ihnen. Francesca brachte keinen Ton
heraus.
Er fluchte erneut, wandte sich ab und strich
sich mit den Fingern durch sein hellbraunes Haar. Seine Hand zitterte. Er
wandte sich ihr wieder zu, vergrub dabei die Hände in den Taschen seines
Wolljacketts, als versuche er sie darin zu bändigen. »Geht es dir auch wirklich
gut? Du siehst schrecklich aus. Dein Gesicht ist zerkratzt und dein Hals ...«
Nun vermochte auch er nicht mehr weiterzusprechen.
Sie musste den Blick von ihm wenden. Denn trotz allem, was er in
der gestrigen Nacht mit seiner Frau getan hatte, lag sie ihm offenbar immer
noch am Herzen. Wann war ihr Leben nur so schrecklich kompliziert geworden?
So unbegreiflich?, fragte sie sich.
»Francesca, bitte.«
Sie sah ihn wieder an, erkannte den verzweifelten Ausdruck in
seinen Augen. »Ich habe überlebt. Ich habe einige Quetschungen und Abschürfungen
und ich muss zugeben, ich hatte Angst, aber es ist nicht halb so schlimm, wie
es aussieht.« Sie zögerte für einen Moment, ehe sie fortfuhr. »Wir haben Mama
angelogen. Es wäre nicht gut, wenn sie erführe, dass ich überfallen wurde. Sie
glaubt, ich sei auf Glatteis ausgerutscht.«
»Du solltest besser deine Hemdbluse wechseln«, sagte er unwirsch.
Francesca nickte. Der Kragen ihrer weißen Bluse reichte nicht hoch
genug, um die Blutergüsse an Hals und Kehle zu verdecken.
»Ich möchte, dass du mir alles erzählst, was
geschehen ist, ohne dabei auch nur ein einziges Detail auszulassen.«
Francesca entfernte sich von der Tür, schuf auf
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