Brenda Joyce
dem sie den Mädchen oft vorlas, während Neil ihr zuhörte und dabei in
einer Zeitung blätterte.
Ihre beiden Töchter, die eine drei Jahre alt und von einer
altklugen Beredsamkeit, die andere gerade einmal acht Monate, saßen beide auf
dem Boden. Charlotte spielte mit ihren Puppen und zankte gnadenlos mit der
schreienden Lucinda. Mrs. Partridge, das Kindermädchen, schimpfte Charlotte
aus, aber diese ignorierte die großgewachsene Gouvernante.
»Charlotte, das ist nicht gerecht«, sagte
Connie rasch und eilte auf die beiden zu. »Du musst deine Puppen mit deiner
Schwester teilen.« Sie kniete sich neben ihre Töchter.
Charlotte sprang auf und
legte ihre Arme fest um Connies Hals. »Mommy, Mommy!«, rief sie.
Connie
drückte sie an sich und dachte: Großer Gott, in meinem Kummer habe ich meine
Töchter vernachlässigt! Es war eine Sache, Verabredungen zum Essen und zum
Tee abzusagen oder Zusagen zu Abendgesellschaften zurückzunehmen, aber eine
ganz andere, sich nicht ausreichend um die eigenen Kinder, die sie über alles
liebte, zu kümmern. »Du erdrückst Mommy ja, mein Schatz! Ich bekomme gar keine
Luft mehr«, sagte sie mit sanfter Stimme.
Charlotte ließ sie los. »Wie schön du aussiehst!«, rief sie. »Was
für ein hübsches Kleid! Bist du nicht mehr krank, Mommy? Daddy hat gesagt, du
bist krank. Er hat gesagt, wir müssen dich schlafen lassen und ganz leise sein,
damit wir dich nicht stören!«
Connie biss sich schuldbewusst und zu Tränen
gerührt auf die Lippe. Der Schmerz kehrte zurück – sie konnte sich nur allzu
gut vorstellen, wie Neil den Mädchen mit leiser Stimme erklärte, dass sie
Rücksicht auf ihre Mutter nehmen mussten. Charlotte hatte er dabei gewiss auf
seinen Schoß gesetzt und ihr genau erklärt, was sie tun durfte und was nicht.
Danach hatte er sich dann Lucinda zugewandt und mit ihr gesprochen, als
verstünde sie jedes seiner Worte, was sie natürlich nicht tat. Aber vergnügt
gegluckst hatte sie mit Sicherheit dennoch. Beide Mädchen vergötterten ihren
Vater.
Wie hatte es nur so weit kommen können? Ihr Leben war doch einmal
so perfekt gewesen!
»Mommy? Wein doch nicht«, flüsterte Charlotte und zog an ihrem
Rock.
Connie setzte sich zu ihr auf den Boden und Charlotte kletterte
rasch auf ihren Schoß. »Ich weine nicht, mein Schatz, ich habe nur Staub im
Auge.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Was sollen wir heute anstellen?«
»Gehst du mit uns in den Park? Oder einkaufen? Kaufst du mir eine
neue Puppe? Oder eine Haube mit einem roten Band?«, fragte Charlotte eifrig.
Connie lachte lauthals – und es fühlte sich
sehr gut an. Obwohl Charlotte mit ihrem ovalen Gesicht, ihren feinen Zügen,
den strahlend blauen Augen und dem platinblonden Haar, das nur eine Spur
heller war als das ihrer Mutter, Connie unglaublich ähnlich sah, glich sie in
ihrem Wesen doch eher Francesca. Sie war anstrengend und überaus neugierig. Es
versetzte Connie immer wieder in Erstaunen, dass sie eine so mutige und kluge
Tochter hatte.
»Ich werde einen Einkaufsbummel mit euch beiden machen«,
entschied Connie, da es zu kalt war, um im Park zu spielen. Die Vorstellung,
die Mädchen hübsch anzuziehen und sie zu Lord & Taylor mitzunehmen,
erschien ihr immer reizvoller. Allerdings sah sie dem Abend, der anschließend
vor ihr lag, mit einem eher mulmigen Gefühl
entgegen. Sie hatten sonst immer etwas vor, gingen für gewöhnlich aus – aber in
letzter Zeit hatte sich Connie stets mit einer Migräne entschuldigt. »Mrs.
Partridge, wissen Sie, welche Pläne mein Mann für den heutigen Abend hat?«
»Er erwähnte einen Geburtstagsball«, sagte
das Kindermädchen und lächelte sie an. Connie bemerkte
einen Ausdruck von Erleichterung in den Augen der Gouvernante.
Connie erhob sich bestürzt. Ein
Ball war immer eine endlose Angelegenheit. Sie hatte keine Lust dazu,
beabsichtigte nicht, Neil zu begleiten. Es musste sich um den Geburtstag von
Letitia Hardwick handeln. Letitia war eine gute Freundin und es hatte einmal
eine Zeit gegeben, da hatte Connie Bälle geliebt.
Mit einem Mal verharrte sie. Letitia war eine heißblütige
Schönheit, die Neil schon immer angehimmelt hatte. Sie hatte Connie häufiger zu
verstehen gegeben, welch ein Glück sie habe, mit einem solchen Mann verheiratet
zu sein. Letitias Mann war älter, unattraktiv und streng. Connie bekam es
plötzlich mit der Angst zu tun.
Sie fürchtete, Letitia könne versuchen, Neil hinter ihrem Rücken
zu verführen.
Aber das war doch absurd!
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