Brenda Joyce
»Einmal abgesehen von LeFarge –
wer sind sonst noch Ihre Feinde?«
»Ich habe keine Feinde«, sagte
er.
»Sind Sie sicher, dass niemand so wütend auf Sie sein könnte, dass
er sich an den Frauen vergreift, die Ihnen am Herzen liegen?«
»Nein! Ist das etwa Ihre Theorie? Dass dort draußen irgendein
Verrückter herumläuft, der mich hasst und es deshalb auf Frauen abgesehen hat,
die mir etwas bedeuten? Denn wenn das der Fall ist, dann sind Bartolla und Fran
und Connie auch in Gefahr!« Er erbleichte.
Francesca wandte sich Bragg zu. »Kurz nachdem man Sarahs Atelier
verwüstet hatte, habe ich mich gefragt, ob es sich bei dem Vandalen nicht um
eine junge Frau handeln könnte, der Evan den Laufpass gegeben hat und die
derart verrückt war vor Eifersucht und Wut, dass sie Sarah eins auswischen
wollte. Aber diese Theorie muss ich ja nun wohl verwerfen.«
»Da stimme ich zu«, erwiderte Bragg. »Der Mord wurde von einem
Mann begangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau in der Lage ist,
eine andere Frau zu erwürgen, Francesca. Nicht mit der Kraft und Gewalt, die
aufgewendet wurde, um Miss Conway zu strangulieren.«
Evan schrie auf. Er bedeckte sein Gesicht abermals mit den Händen
und seine Schultern begannen zu zucken. Ein erstickter Schluchzer war zu hören.
Francesca setzte sich schützend
an seine Seite. Sie sah Bragg an. »Wir überfordern ihn. Er ist verletzt und
trauert.«
Bragg nickte. »Wir können ein
anderes Mal mit der Befragung fortfahren. Ich hoffe, dass Evan noch etwas
einfallen wird, ein Name oder ein Gesicht von jemandem, der Miss Conway
belästigt hat. Oder ob sich jemand in der Nähe ihrer Wohnung herumgetrieben
hat.«
Evan
reagierte nicht. Er rutschte tiefer in die Kissen und ließ die Hände sinken.
Tränen liefen ihm über die Wangen. »Sie müssen den Bastard finden, der das
getan hat!«
Francesca
machte sich an den Kissen zu schaffen. »Das werden wir«, versprach sie.
»Wenn wir uns doch nur nicht in der letzten Woche so furchtbar
gestritten hätten«, sagte er mit heiserer, verzweifelter Stimme.
Francesca
wurde ganz starr vor Schreck.
»Sie haben sich gestritten?«, hakte Bragg nach. »Mit Miss Conway?«
Evan nickte, sichtlich um Worte verlegen. »Das letzte Mal, als ich
sie gesehen habe, wollte sie nicht einmal mehr mit mir reden.«
Ein
ungutes Gefühl beschlich Francesca. Sie beugte sich vor und flüsterte ihrem
Bruder ins Ohr: »Evan, nicht!«
Aber Bragg
fuhr fort: »Was war denn der Anlass für Ihren Streit?«
Evan sagte finster: »Ich hatte unsere Affäre
beendet. Wissen Sie, eine andere Frau hat es mir angetan und es wäre Gracie
gegenüber nicht fair gewesen, fortzufahren, als sei nichts geschehen, wo ich
doch gar nicht mehr in sie verliebt war.«
Francesca
rang verzweifelt die Hände.
»Und sie war wütend über das Ende der Beziehung?«, fragte Bragg.
»Fuchsteufelswild. Sie hat geschrien und
geweint und mit Dingen um sich geworfen. Es war eine ausgesprochen schwierige und
unangenehme Situation«, fügte er hinzu.
Francesca hielt es nicht länger aus. »Sag nichts mehr!«, rief sie
und sprang auf.
Er schaute
sie blinzelnd an. »Aber warum denn nicht, um Himmels willen? Es ist doch die
Wahrheit, Fran!«
»Weil man
glauben könnte, dass du dich entschlossen hättest, deine unerwünschte Mätresse
loszuwerden, Evan!«
Nun endlich
begriff er und wurde kreidebleich.
Francesca stemmte die Hände auf die Hüften und wandte sich Bragg
zu. »Wir wissen beide, dass er so etwas niemals tun würde«, erklärte sie mit
fester Stimme.
»Sie und ich mögen das wissen«, erwiderte Bragg. »Aber die Welt da
draußen nicht.«
»Bragg, Evan wurde am Montagnachmittag von LeFarges Schlägern
angegriffen. Grace Conway wurde am Dienstagabend ermordet. Also lassen Sie die
Welt in Gottes Namen falsche Schlüsse ziehen, wenn sie denn will!«
Bragg sagte langsam: »Der
amtliche Leichenbeschauer hat festgestellt, dass Miss Conway schon einige Zeit
tot war.«
Francesca begriff die Bedeutung
seiner Worte nicht sogleich. »Wie bitte?«
»Vielleicht haben Sie es nicht bemerkt, aber in Miss Nevilles
Wohnung war es eiskalt.«
Sie vermochte zunächst kein Wort herauszubringen. Dann fragte sie
mit stockender Stimme: »Und auf wann glaubt er den Zeitpunkt des Todes
festsetzen zu können?«
»Miss Conway wurde vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden,
bevor ihre Leiche von Mr. Bennett gefunden wurde, ermordet.«
Ihre Gedanken überschlugen sich. »Bennett hat sie um halb acht
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