Brenda Joyce
möglicherweise als nützlich erweisen, wenn es um LeFarge ging.
Bragg hoffte, von dem Reporter einiges über den Spielhöllenbesitzer zu
erfahren.
Mehrere Lastenkarren rollten vorbei, dazwischen ein Hansom. Aber
hauptsächlich waren dort unten Fußgänger unterwegs. Bragg überblickte die ganze
vertraute Szenerie, ohne sie recht wahrzunehmen, da er mit seinen Gedanken ganz
woanders war.
Es gab noch immer keine neuen Spuren im
Conway-Mordfall, und da Francescas Bruder möglicherweise etwas mit der Sache
zu tun hatte, war Bragg ausgesprochen besorgt. Wenn sie nicht herausgefunden
hätten, dass Evan die Verbindung zwischen Grace Conway und Sarah Channing
darstellte, hätte er sich nicht weiter persönlich mit dem Fall beschäftigt, da
seine Aufgabe eigentlich darin bestand, den gesamten Polizeiapparat zu leiten
und nicht etwa die Ermittlungen bei einzelnen Verbrechen zu führen.
War Grace Conways Tod vielleicht doch ein schrecklicher Unfall
gewesen? Oder hatte vielmehr Sarah Channing unglaubliches Glück, noch am Leben
zu sein?
Hatten sie es mit einem Vandalen oder einem Mörder zu tun oder
vielleicht mit beidem?
Er wollte um jeden Preis verhindern, dass
Francesca durch diese Geschichte irgendwie zu Schaden kam, was bedeutete, dass
er ihren Bruder schützen musste, komme was wolle.
Plötzlich zuckte er zusammen. Ein Hansom hatte vor dem Gebäude
angehalten und Francesca stieg aus. Der Commissioner musste unwillkürlich
lächeln, wie immer, wenn er sie erblickte, aber dieses Lächeln erstarb rasch
wieder. Francesca war eine erstaunliche Frau – es gab keine Frau, die er mehr
respektierte oder bewunderte –, aber es war eigentlich nicht seine Absicht
gewesen, sich in sie zu verlieben. Er hatte nicht geglaubt, dass es ihm
überhaupt möglich sei, sich noch einmal in eine Frau zu verlieben. Denn nachdem
ihn Leigh Anne verlassen hatte, war etwas in ihm gestorben – auch wenn ihm die
wenigen Affären, die er seither gehabt hatte, durchaus nicht vollkommen gleichgültig
gewesen waren.
Aber dann hatte er Francesca kennengelernt, und sie hatte ihn mit
ihrem Witz, ihrem Intellekt und ihrem Humor in ihren Bann gezogen. Dass sie
eine schöne Frau war, hatte er wohl zur Kenntnis genommen, aber es hatte nur
einer einzigen Unterhaltung bedurft, einer Unterhaltung, die sich zu einer
politischen Debatte entwickelt hatte, und es war um ihn geschehen gewesen.
Er sah zu, wie sie über den Bürgersteig schritt, aus seinem
Blickfeld verschwand, und ihm wurde bewusst, dass sie in wenigen Augenblicken
in seinem Büro auftauchen würde. Er freute sich darüber, auch wenn er es
eigentlich nicht tun sollte. Seine Gedanken wandten sich seiner Frau zu und er
kehrte dem Fenster den Rücken, schloss die Augen und seufzte.
Leigh Anne war wie ein eisernes Halsband, das ihm gleich einem
Sklaven die Freiheit nahm.
Wenn es ihm nur gelänge, es abzureißen, könnte er seine Freiheit
wiedergewinnen.
Er sah große, unschuldig dreinblickende,
smaragdgrüne Augen vor sich. Doch sie hatte nichts Unschuldiges an sich!
Sein Telefon läutete. Auf Braggs Schreibtisch
herrschte ein Durcheinander aus Papieren, Ordnern und Aktenbündeln. Das Telefon
stand am Schreibtischrand und als er den Hörer von der Gabel nahm, fiel der
übrige Apparat zusammen mit einigen Ordnern polternd zu Boden. »Rick! Ich bin so
schrecklich nachlässig! Ich habe bei unserem Gespräch gestern ganz vergessen,
Sie etwas zu fragen«, eröffnete Seth Low, der Bürgermeister von New York, ohne
Umschweife das Gespräch.
»Guten Morgen, Sir«, grüßte Bragg rasch. Er hatte den gestrigen
Nachmittag in einer Besprechung mit dem Bürgermeister verbracht, der zwar
angedeutet hatte, wie zufrieden er mit Braggs gegenwärtigen Bemühungen war,
die Polizei der Stadt zu reformieren und neu zu strukturieren, aber
ausgesprochen besorgt reagiert hatte, soweit es Braggs Durchsetzung der
sogenannten »Blue Laws«, des sonntäglichen Ausschankverbots, anging. Bragg war
hin- und hergerissen. Er war der Typ Mann, der daran glaubte, dass man dem
Gesetz buchstabengetreu und ohne Ausnahme gehorchen sollte, andererseits war
ihm jedoch klar, dass er dadurch Seth Low die Chancen auf eine Wiederwahl in
den nächsten zwei Jahren verderben könnte. Low hatte ihn höflich gebeten, seine
Haltung noch einmal zu überdenken. »Was kann ich für Sie tun?«
Der Bürgermeister war nicht gerade für Herzlichkeit bekannt. Er
kam gleich auf den Punkt. »Ich habe heute Abend eine Loge in der Oper. Ich
möchte, dass
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