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Brenda Joyce

Brenda Joyce

Titel: Brenda Joyce Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deadly 05 - Nacht der Angst
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20. FEBRUAR 1902 – 17:00
UHR
    Calder Harts Büroräume befanden sich in einem eleganten
Backsteingebäude an der Front Street mit Blick auf die Kais, die Schiffe, die
Bucht und die Freiheitsstatue. Francesca vermochte die Lage im Augenblick
allerdings nicht zu würdigen. Sie hatte ihren Besuch bei Hart lange genug
hinausgeschoben – ihr graute davor, ihm nach ihrer letzten Begegnung
gegenüberzutreten, und vor allem graute ihr davor, ihn wegen eines Darlehens
anzubetteln.
    Im Grunde war es mehr als das. Es war eine große Angst, die sie
quälte. Sie versuchte sich einzureden, es gebe wirklich keinen Grund, sich vor
einem Mann zu fürchten, der ein so guter Freund war. Sie musste dieses Darlehen
um Evans willen bekommen, selbst wenn es bedeutete, dass sie den Rest ihres
Lebens damit verbringen würde, es Hart Penny für Penny zurückzuzahlen.
    Joel blickte mit weit aufgerissenen Augen an
dem Backsteingebäude hinauf, während mehrere von Pferden gezogene Lastenkarren an ihnen vorüberfuhren. Ein riesiges Schild hing
unterhalb des Giebeldreiecks und darauf stand schlicht HART INDUSIRIES zu
lesen. Als Joel erfahren hatte, dass sie beabsichtigte, Hart einen Besuch
abzustatten, hatte er darauf bestanden, sie zu begleiten, da die Kais eine zu
wüste Gegend für eine feine Dame wie sie seien. »Wie viel Knete hat der Kerl
eigentlich?«, fragte Joel atemlos.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Francesca kurz angebunden. Sie ermahnte
sich, ruhig und gefasst zu bleiben, aber es half nichts. Und als sie Joel
ansah, fragte sie sich, ob der wahre Grund für seine Anwesenheit wirklich die
Rüpel waren, die sich an den Kais herumtrieben, oder vielleicht doch eher eine
gewisse Faszination, die Calder Hart auf ihn ausübte.
    »Wie konnte ein Kerl, der ein
Junge war wie ich, so reich werden?«, fragte Joel weiter, als sie das Gebäude
betraten – womit Francescas Frage im Grunde beantwortet war.
    »Das kannst du ihn ja
irgendwann einmal selbst fragen.«
    »Würd er mir doch nie
verraten«, murmelte Joel und seine Wangen röteten sich.
    »Calder ist eigentlich ein netter Mann«, flüsterte Francesca
nervös, während sie die Eingangshalle durchquerten. Die Wände waren mit Holz vertäfelt, der Dielenboden auf Hochglanz
gebohnert. Sie wusste, dass das Gebäude erst kürzlich erbaut worden war, doch
es wirkte, als stünde es bereits seit
Jahrzehnten an dieser Stelle. Mehrere überwiegend in Rot gehaltene
Perserteppiche bedeckten die Böden. An den Wänden hingen Kunstwerke. Es gab
einen hübsch gestalteten Sitzbereich. Der ganze Raum wurde durch die riesige
Skulptur eines römischen Soldaten auf einem kräftigen Pferd dominiert.
    »Ich hab die Leute sagen hören, dass er ein Lump is, Miss Cahill.
Er is nicht nett.«
    Francesca blieb stehen. »Zu uns ist er immer nett gewesen«, hielt
sie ihm vor.
    Joel blickte ihr in die Augen. »Aber bloß, weil Sie so 'ne hübsche
Dame sind.«
    Sie entschied, sich auf keine weiteren Diskussionen einzulassen.
Da sie schon einmal in Calders Büro gewesen war, stiegen sie zielstrebig die
Treppe hinauf, bis sie ein wenig atemlos im fünften Stock ankamen.
    Sie betraten einen imposanten Salon, von dessen hoher, mit
Goldrelief verzierter Decke ein gewaltiger Kristall-Kronleuchter hing. Ein
großer Teppich in Beige, Grün und Korallenrot bedeckte den Boden. Die Wände
waren moosgrün, die Möbel kostbar und elegant. In dem Raum hätte man ohne
weiteres einen kleinen Ball veranstalten können. An der hinteren Wand stand ein
Chippendale-Schreibtisch, von dem sich ein junger Mann erhob und auf sie zukam.
    Francesca umklammerte ihre Handtasche. Jetzt gab es kein Zurück
mehr – oder vielleicht doch? »Ist Mr. Hart zugegen?«
    Der Sekretär blickte sie missbilligend an. »Ja. Ich fürchte aber,
ich habe keine Notiz über eine terminliche Vereinbarung, Miss, äh ... Miss
...?«
    »Ich bin eine enge Freundin«,
erklärte Francesca und im selben Moment, als die Worte heraus waren, begannen
ihre Wangen zu brennen. Ihr war klar, was der junge Sekretär nun von ihr
dachte. Er hielt sie für eine heiratsversessene Debütantin, die hoffte, Calder
zu umgarnen, oder – schlimmer noch – für eine liebeskranke junge Dame. »Bitte
erkundigen Sie sich doch, ob er einen Moment Zeit hat, mich zu empfangen. Mein
Name ist Francesca Cahill«, fügte sie nervös hinzu.
    Der Mann versuchte sich an einem Lächeln, das jedoch zu einer
Grimasse geriet. »Er befindet sich in einer sehr wichtigen Besprechung«, sagte
er warnend. »Bitte

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