Brenda Joyce
fest.
»Er bedeutet mir sehr viel und das wird sich auch niemals ändern«,
räumte Francesca ein. Ihr wurde klar, dass sich ihre Wut vom Vorabend verflüchtigt
hatte. Sie konnte einfach nie lange wütend auf Bragg sein. Auch die
Traurigkeit und das Gefühl des Verlustes waren schon nicht mehr ganz so
schlimm.
Plötzlich blickte Daisy an Francesca vorbei. »Da kommt ja
Calder!«, rief sie freudig überrascht.
Francesca fuhr in ihrem Sessel herum. Keine Frage, der große,
glänzende Landauer dort draußen auf der Straße gehörte ihm. Sie sprang auf. »Er
darf mich nicht sehen! Er darf nicht wissen, dass ich hier war!«
Daisy starrte sie mit offenem Mund an. »Aber ... warum denn
nicht?«
»Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll – und uns bleibt
keine Zeit!« Francesca spürte, wie Panik in ihr aufstieg.
Daisy erhob sich, hastete an Francesca vorbei und öffnete die Tür
zu einem kleineren Salon. »Ich werde Ihnen Ihren Mantel bringen. Bleiben Sie
hier. Wenn er den Salon betreten hat, können Sie durch diese Tür dort drüben
in die Eingangshalle gelangen. Am hinteren Ende gibt es einen Ausgang, der in
den Garten führt.«
»Ich danke Ihnen!«, rief Francesca, eilte in das benachbarte
Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie
kam sich wie ein Gauner vor, den man mit der Hand am Tresor erwischt hatte.
Wenn Hart sie jetzt entdeckte, würde er wissen, dass sie in seinem Privatleben
herumschnüffelte. Er würde sich köstlich darüber amüsieren – und es sie niemals
vergessen lassen.
Daisy kehrte aus der Eingangshalle zurück und reichte Francesca
ihren Mantel und die Handschuhe. Lächelnd flüsterte sie: »Kommen Sie bald
wieder.«
Francesca nickte, während Daisy hinausschlüpfte und leise die Tür
hinter sich schloss. Und noch ehe sie einen tiefen Atemzug tun konnte, um sich zu beruhigen, hörte sie Daisy auch
schon in der Eingangshalle rufen: »Calder! Wie schön dich zu sehen!«
Francesca richtete sich auf. Daisys Stimme klang so erwartungsvoll,
als hätte sie ihren Liebhaber längere Zeit nicht mehr gesehen.
Aber das konnte unmöglich sein. Francesca
wusste, dass Hart sexuell ausgesprochen aktiv war. Er besuchte seine Mätresse
sicherlich sehr regelmäßig. Wahrscheinlich jeden Abend.
Seine Antwort war zu leise, als dass sie die Worte hätte ausmachen
können, doch Francesca bemerkte, dass seine Stimme nichts mit dem ach so
sinnlichen Raunen gemein hatte, das sie so oft von ihm hörte. Eigentlich hatte sie
gar nichts Erotisches an sich. Wie seltsam.
»Hättest du gern einen Scotch? Bist du hungrig? Oder wie wäre es
mit einem heißen Bad?« Daisys Stimme war jetzt sehr deutlich zu hören. Offenbar
hatten sie und Hart den Salon betreten, den Francesca gerade erst verlassen hatte. Das war
die Gelegenheit, sich davonzustehlen.
Aber
Francesca rührte sich nicht.
»Nein, lass nur«, wehrte er in nüchternem, sachlichem Ton ab, der
nichts Verführerisches an sich hatte.
»Ist alles
in Ordnung?«, fragte Daisy hörbar beunruhigt.
Francesca war sich bewusst, dass es sich nicht gehörte, zu
lauschen, und dennoch schlich sie zur Tür, die in den anderen Salon führte, und
presste ihr Ohr dagegen. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach mehr über
seine Beziehung zu dieser Frau erfahren.
Hart
seufzte. »Wir müssen miteinander reden.«
Für einen Moment herrschte Stille. Francesca spürte geradezu
Daisys Besorgnis. Sie war selbst mehr als überrascht. Was ging da vor sich?
»Habe ich dich irgendwie gekränkt?«, wollte Daisy wissen. »Oder
bist du meiner bereits überdrüssig? Ich habe dich seit Tagen nicht gesehen,
Calder.« Sie jammerte nicht. Ihre Stimme war leise, unsicher, aber nicht
zänkisch.
»Meine süße Daisy«, versetzte Hart ruhig. »Du
hast mich in keiner Weise gekränkt, aber ich war in den letzten Tagen sehr
beschäftigt. Es gibt da etwas, worüber wir sprechen müssen.«
»Beendest du unsere Beziehung?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Ich werde nicht weinen. Ich mag dich wirklich sehr, aber wenn es das ist, was
du willst ...«
»Nein, ich beende unsere Beziehung nicht«, unterbrach Hart
ausdruckslos.
Francesca konnte nicht umhin, sich einzugestehen, wie enttäuscht
sie war. Aber damit zeigte Hart wieder einmal sein wahres Gesicht. Er stellte
ihr nach, wollte Daisy jedoch weiterhin aushalten. Das sollte sie wirklich
nicht überraschen.
»Nehmen wir
doch Platz«, schlug er sanft vor.
»Ich habe Angst«, gestand Daisy. Und
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