Brenda Joyce
abfragen können?«
Francesca errötete. Außer Connie und Evan
wusste niemand, dass sie heimlich am College studierte. Bragg war ihr einmal
beinahe auf die Schliche gekommen, doch sie hatte ihm erzählt,
dass sie sich zum Vergnügen mit verschiedenen Themen beschäftige und hin und
wieder selbst abfrage. »Ich habe einige Verehrer«, behauptete sie, was eine
Lüge war.
»Francesca, es reicht. Es tut mir Leid, wenn
Sie kein Verständnis für den Druck haben, unter dem ich in meiner Position als
Polizei-Commissioner stehe. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir den Ausflug
eines Tages nachholen werden.« Er blickte sie ein letztes Mal an und wandte
sich dann wieder der Leiche zu.
Er wollte den Ausflug also »eines Tages«
nachholen. Francesca konnte es einfach nicht glauben. Hatte sie seine
Absichten denn wirklich derart missverstanden? Es klang ganz und gar nicht so,
als habe er irgendein Interesse an ihr oder als beabsichtige er, ihr den Hof
zu machen – weder jetzt noch am nächsten Tag oder sonst irgendwann.
Ich darf jetzt nicht enttäuscht sein, ermahnte sie sich selbst und
wandte sich ab. Immerhin hatte sie ihren ersten Fall zu lösen, einen wichtigen
Fall.
»Was haben Sie aus der Geldbörse herausgenommen, Francesca?«,
fragte Bragg, der sich in dem Salon umschaute.
»Nichts«, log sie. Sie schob ihre Enttäuschung
beiseite. Natürlich würde sie ihm irgendwann etwas von Calder Harts Visitenkarte
erzählen müssen, aber vielleicht würde Hart ihr einen Hinweis liefern, durch
den sie imstande wäre, den Fall zu lösen – ohne Braggs Hilfe. Was machte es
schon, dass sie sich in ihrer Fantasie ausgemalt hatte, mit ihm
zusammenzuarbeiten? »Erzählen Sie mir, was nach Ihrem Eintreffen im Haus geschehen
ist«, sagte Bragg, während er die Sitzpolster und Kissen anhob, um darunter
nach Spuren zu suchen.
Francesca nahm in einem der Sessel Platz. »Was suchen Sie denn?«,
fragte sie neugierig.
»Ein Mörder lässt oft Beweise zurück, und
häufig handelt es sich dabei um die Tatwaffe.« Er ging zu einem Tisch hinüber,
auf dem einige Fotografien und Nippes standen. »Ich wäre nicht überrascht, wenn
wir die Mordwaffe in einem Umkreis von einem halben Häuserblock um dieses Haus
fänden.«
Das war eine interessante Information, und Francesca beschloss,
sie sich einzuprägen.
»Bitte erzählen Sie mir, was nach Ihrem Eintreffen geschehen ist«,
forderte sie Bragg erneut auf, der gerade die bis zum Boden reichenden Vorhänge
des einzigen Fensters anhob, um einen Blick dahinter zu werfen.
»Miss de Labouche war ziemlich außer sich, als ich hier ankam«,
berichtete Francesca. Wenn sie Bragg doch nur bei der Suche nach der Waffe
hätte helfen können! »Sie war nicht sehr erfreut, dass ich Joel mitgebracht
hatte«, fügte sie hinzu.
Der Commissioner wandte sich mit den Händen
in den Hüften zu ihr um. »Und wie kommt es, dass unser kleiner Taschendieb
mit von der Partie war?«
»Ich glaube, er hat sich gebessert, Bragg«, sagte Francesca, der
es gar nicht gefiel, dass der Commissioner in dem Jungen immer nur das
Schlechte sah.
Er schnaubte verächtlich. »Er ist also ganz zufällig hier aufgetaucht?«
»Ich habe ihn abgeholt. Ich hatte Angst, ganz allein in der Stadt
umherzuziehen.«
Er lächelte sie mit einem viel sagenden »Habe ich es Ihnen nicht
gesagt?«-Lächeln an.
»Als ich hier ankam, zeigte Miss Labouche mir
die Leiche und bat mich, ihr dabei zu helfen, den Toten zu verstecken«, berichtete
Francesca mit großen, unschuldig dreinblickenden Augen weiter, wobei sie sich
sehr wohl bewusst war, welche Reaktion ihre bühnengerechte Erzählung
hervorrufen würde.
»Wie bitte?«, rief Bragg entgeistert.
»Grundgütiger! Und die Frau ist dort oben?« Er machte sich auf den Weg zur Tür.
»Sie ist unschuldig, Bragg! «, rief Francesca hinter ihm her und erhob sich.
»Sie ist – sie war – Randalls Mätresse und hat Angst, Sie könnten sie für die
Mörderin halten. Deshalb wollte sie die Leiche unbedingt verstecken.«
»Und Sie haben ihr geglaubt? Francesca, Sie
sind wirklich naiv! «
»Sie war in der Badewanne, als der Schuss fiel! Mit erotischem
Spielzeug, wenn ich das hinzufügen darf.«
Bragg blieb wie angewurzelt
stehen und drehte sich zu ihr um. »Ich wiederhole lediglich, was sie mir
erzählt hat«, erläuterte Francesca.
»Verstehe.« Er starrte sie entgeistert an. »Nun, ich glaube, es
ist an der Zeit, einmal mit Miss de Labouche zu sprechen.« Mit energischen
Schritten verließ Bragg den
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