Brenda Joyce
ich habe eine ganz wundervolle
Idee. Warum fahren wir nicht bei Sarah Channing
vorbei und fragen sie, ob sie Lust hat, mitzukommen?« Sarah war die junge
Frau, mit der ihr Bruder seit kurzem verlobt war, obgleich er eigentlich gegen
diese Verbindung war. »Sarah ist eine großartige Künstlerin. Wir werden sie
zweifelsohne in ihrem Atelier an der Staffelei vorfinden. Sie ist zwar nicht
gerade der Typ Frau, der einem Einkaufsbummel viel abzugewinnen vermag, aber
sie würde ihre zukünftigen Schwägerinnen bestimmt gern besser kennen lernen.«
In diesem Moment hielt die Kutsche vor der großen Kalkstein-Villa
der Cahills. Connie wandte sich wieder Francesca zu. »Es gibt eine andere
Frau«, sagte sie.
Francesca, die gerade Anstalten gemacht hatte, aufzustehen, ließ
sich auf die Lederbank zurücksinken. Sie befeuchtete ihre Lippen. »Du ... du
weißt davon?«
Connie starrte sie mit einem gequälten Gesichtsausdruck
an, der erahnen ließ, wie groß ihre Angst war, die Wahrheit zu erfahren.
»Nein. Ich weiß gar nichts. Aber aus irgendeinem Grund scheinst du etwas zu
wissen.«
Francesca zog es das Herz zusammen, denn sie
wusste, dass ihre Worte Connie unendlich verletzen würden. »Ich ... ich habe
Neil mit jemandem gesehen ... mit einer anderen Frau.« Connie saß stumm und
bewegungslos da. Von einem Moment auf den anderen schien sie sich in eine
hinreißend schöne Elfenbeinstatue verwandelt zu haben.
»Es tut mir so Leid«, flüsterte Francesca.
Wie klein die Kutsche mit einem Mal zu sein schien, wie still der
Tag!
»Wie lange weißt du schon davon?«, fragte Connie unvermittelt mit
scharfer Stimme. Sie blickte Francesca mit glasigen Augen an. »Er liebt die
Mädchen über alles. Er liebt mich über alles. Ich verstehe das einfach nicht!«
Francesca ergriff erneut ihre Hand. »Ich
verstehe es ja auch nicht. Ich weiß es erst seit ungefähr einer Woche. Ich
dachte, du würdest lieber nichts davon erfahren. Deshalb habe ich nichts
gesagt.«
»Bist du dir auch ganz sicher?«, fragte Connie verzweifelt.
»Vielleicht hast du die Situation ja einfach nur missdeutet.«
Francesca schwieg für einen Moment. Sie fühlte mit ihrer
Schwester, hatte selbst schon viele Tränen wegen dieser Affäre vergossen.
»Ja, ich bin mir ganz sicher. Ich habe alles ganz deutlich
gesehen«, sagte sie mit zittriger Stimme.
Connie schlang die Arme um ihren Körper. »Am liebsten wäre ich
tot«, sagte sie leise.
»Nein, Con, sag so etwas nicht! Neil liebt
dich, da bin ich mir ganz sicher, und du wirst diesem Wahnsinn ein Ende
bereiten. Alles wird wieder gut, davon bin ich überzeugt!«, rief Francesca.
Connie blickte ausdruckslos vor sich hin. Ihre himmelblauen Augen
füllten sich mit Tränen, und eine kullerte ihr bereits über die Wange.
»Neil liebt dich«, beharrte Francesca und
hoffte inständig, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen. Wenn sie ihrer
Schwester doch nur diesen schlimmen Schmerz hätte ersparen können!
»Ich muss wissen, mit wem er zusammen gewesen ist. Ich muss
einfach wissen, wer sie ist«, sagte Connie.
Francesca zögerte. »Es ist Eliza Burton«,
erwiderte sie dann.
Francesca schlüpfte in die große Eingangshalle der
Cahill-Villa, die mit einem Marmorboden und korinthischen Säulen ausgestattet
war. Die Wände waren ebenfalls mit Marmor vertäfelt, und ein prächtiges
Gemälde, das eine ländliche Szene zeigte,
zierte die hohe Decke. Francesca fühlte sich schrecklich. Connie hatte sie
gefragt, ob sonst noch jemand von Neils Affäre wusste, und Francesca hatte es
verneint, obwohl ihr bekannt war, dass Bragg davon wusste. Aber sie hatte
ihrer Schwester nicht noch mehr Kummer aufbürden wollen. Sie hatte ihr
versprechen müssen, niemandem ein Wort über Neils Affäre zu verraten, nicht
einmal Evan und ganz besonders nicht ihrer Mutter.
Francesca schenkte dem Dienstboten, der ihr
die Tür geöffnet hatte, ein gequältes Lächeln und reichte ihm ihren Muff, den
Hut – aus dem sie zuvor die Nadel entfernte, mit dem er in ihrem Haar
festgesteckt war – und ihren pelzgefütterten Mantel. Im Haus war es ruhig.
Julia war zweifellos mit irgendwelchen wichtigen Damen der Gesellschaft zum
Essen gegangen, und auch Evan war bestimmt schon längst fort. Francesca machte
sich auf den Weg in die Bibliothek. Sie wollte einen Blick in die Morgenausgabe
der Zeitung werfen – was sie wegen Connies unerwartetem Besuch am Morgen
versäumt hatte – und dann eine Mietdroschke nehmen, um Joel zu suchen. Sie
hatte den
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