Brenda Joyce
ganzen Nachmittag zur Verfügung, um die Ermittlungen im Randall-Fall
fortzusetzen. Francesca glaubte, dass es nicht herauskommen würde, wenn sie
die Nachbarn von Georgette de Labouche befragte, solange sie diskret dabei
vorging. Allerdings würde sie es nicht wagen, die Witwe zu besuchen, da sie
fürchtete, dort Bragg oder einem anderen Polizeibeamten zu begegnen.
Sie betrat die Bibliothek, die ihrem Vater zugleich als Arbeitszimmer
diente. Mit der golden durchwirkten Tapete, den Buntglasfenstern, dem dunklen
Holzschmuck und den gemütlichen Möbeln stellte sie einen überaus einladenden
Zufluchtsort dar. Als Francesca ihren Vater an seinem Schreibtisch sitzen sah, blinzelte
sie überrascht. Andrew Cahill schrieb einen Brief und war so darin vertieft,
dass er seine Tochter offenbar nicht kommen gehört hatte.
Sie lehnte die Tür hinter sich an und lächelte liebevoll. »Papa,
ich habe die zweite Kutsche gar nicht gesehen. Ich wusste nicht, dass du zu
Hause bist.«
Cahill zuckte zusammen und blickte auf. Ein Lächeln huschte über
sein Gesicht. »Guten Tag, Francesca. Du hast ja heute Morgen ausnahmsweise
einmal recht lange geschlafen.«
In gewisser Weise war in dieser Feststellung
eine Frage versteckt, doch Francesca war nicht beunruhigt. Hätte ihre Mutter
dagegen eine solche Bemerkung gemacht, hätte Francesca befürchten müssen, dass
man ihr auf die Schliche kam.
»Ja, das habe ich«, antwortete sie. »Und es war einfach herrlich.
Vielleicht werde ich mir eine solche Faulheit von nun an zur Gewohnheit
machen.«
Cahill lachte. »Das kann ich mir bei dir kaum
vorstellen.«
Francesca lächelte und ging zum Sofa vor dem
Kamin hinüber, wo sie die Zeitungen liegen sah. Sie griff nach der Tribune und
überflog rasch die Titelseite. Randalls Ermordung hatte offenbar noch keine
Schlagzeilen gemacht, aber Bragg hatte es wieder einmal geschafft. Bragg greift
durch, las Francesca. Darunter stand: Hunderte Polizeibeamte degradiert, um Korruption
Riegel vorzuschieben.
Anschließend warf sie einen Blick auf die Times. 300
Polizisten degradiert und demoralisiert, las sie. Und weiter: Versetzungen
werden Mauschelei bei der Polizei ein Ende bereiten. Bekämpfung von Verbrechen
gefährdet?
»Bragg hat den Tiger am Schwanz gepackt«, kommentierte Andrew, der
aufgestanden war und zu ihr herüberkam. »Er ist ein mutiger Mann.«
Francesca freute sich über die
Berichterstattung, obgleich ihr die Andeutung der Times nicht gefiel,
dass Bragg möglicherweise der Tauglichkeit der Polizei Schaden zufügte.
»Glaubst du, dass er es überstehen wird, Papa?«
»Das bleibt abzuwarten. Aber durch die
Versetzung der Beamten in verschiedene Reviere hat er dem System der Mauschelei
und der Korruption einen schweren Schlag versetzt.«
»Ich verstehe. Die Beamten eines bestimmten
Bezirks kassieren Bestechungsgelder von den Schnapskneipen, den Bordellbesitzern
und den Spielhöllen in ihrem Bezirk. Nun, da sie degradiert und in einen
fremden Bezirk versetzt wurden, dürfte es ihnen schwer fallen, sofort wieder
ein neues System der Korruption aufzubauen. Wie clever! Und wie mutig dazu! «
»Bragg ist in seiner eigenen Behörde zurzeit nicht gerade sehr
beliebt«, erklärte Cahill. »Und wenn du die Times liest, wirst du
feststellen, dass einer der Reporter ihm unterstellt, er sei zu schnell
vorgegangen. Er behauptet, dass das Verbrechen unter diesen Bedingungen
aufblühen werde.«
»Ich bin überzeugt, dass sich Bragg nicht darum schert, ob er
beliebt ist oder nicht«, erwiderte Francesca mit Nachdruck. »Aber es würde mir
schon etwas Kopfzerbrechen bereiten, wenn ihn seine eigenen Männer verachten
sollten.«
»Er muss seinen neuen Polizeichef ernennen, und das möglichst
bald.«
»Ja, das ist wohl richtig, aber wie sollte er innerhalb der Ränge
einen Verbündeten finden? Es sind doch alle so korrupt!«, rief Francesca.
»Nun, jemand Neues kann er jedenfalls nicht auf diesen Platz
setzen. Bragg hat während des Burton-Falls ohnehin schon die Arbeit für zwei
erledigt. Er hat genug damit zu tun, gegen
die Korruption innerhalb der Behörde anzugehen, da kann er nicht auch noch das
Verbrechen auf der Straße bekämpfen.«
Darin stimmte Francesca ihrem Vater zu. Andererseits kannte sie
Bragg inzwischen recht gut und glaubte nicht, dass er es sich nehmen lassen
würde, die Kriminalität eigenhändig zu bekämpfen. Sie wünschte, sie hätte
ihrem Vater von dem Mord an Paul Randall erzählen können, aber das war
unmöglich. Zumindest
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