Brenda Joyce
treibst
dich mit Polizisten und Strolchen und sogar mit diesem kleinen Taschendieb
herum – der sich mit meinem Silber davongemacht hat, wie ich hinzufügen darf.«
Sie stemmte verärgert ihre Hände auf die Hüften.
»Mama, Joel Kennedy hat dein Silber nicht genommen, da bin ich mir
ganz sicher.«
»Mrs Ryan ist da aber völlig anderer Ansicht, Francesca, und ich
möchte im Augenblick auch gar nicht über das gestohlene Silber debattieren.«
»Aber ich! Joel ist mein Freund, und seine Familie ist so arm. Ich
beabsichtige, ihn als Laufburschen zu beschäftigen«, sagte sie – es war ja nur
eine kleine Notlüge.
»Wie bitte? Das wirst du ganz gewiss nicht tun! Ich will diesen
kleinen Dieb nicht einmal von weitem sehen, geschweige denn in diesem Haus! Das
ist mein Ernst, Francesca.«
»Einer unserer Dienstboten hat das Silber
gestohlen, Mutter! Aber keine Sorge – ich werde den Schuldigen ausfindig machen
und Joels Namen reinwaschen.« Es war Francesca ernst damit, obgleich sie keine
Ahnung hatte, wie sie es anstellen sollte, jetzt, wo Connie sie so dringend
brauchte und Francesca sich verpflichtet hatte, Georgette de Labouche zu
finden, und – viel wichtiger noch – Paul Randalls
Mörder. Allein bei dem Gedanken an diese vielen Aufgaben schwirrte Francesca
der Kopf. Hatte sie sich möglicherweise ein wenig übernommen?
Julia schritt in der großen Halle auf und ab. Dann blieb sie
unvermittelt stehen und sagte: »Und ich dachte, es ginge um deine Schwester.«
Francesca spürte, wie ihr alles Blut aus dem
Gesicht wich. »Wie bitte?« Sie hoffte, sich verhört zu haben, wusste aber, dass
es sich nicht so verhielt.
»Ich dachte, es ginge um deine Schwester«, wiederholte Julia.
»Wieso glaubst du, es ginge um Connie?«, erkundigte sich Francesca vorsichtig.
»Weil sie ganz offensichtlich Kummer hat, und das schon seit
geraumer Zeit. Ich weiß, wie nahe ihr beiden euch steht und dass sie dir ihre
Sorgen anvertraut – falls sie sie überhaupt jemandem anvertraut. Was ist los
mit Connie, Francesca?« Julia trat auf sie zu. Ihre blauen Augen, die denen
ihrer Tochter so ähnlich waren, trugen einen besorgten Ausdruck. »Muss ich mir
Sorgen machen?«
Francesca atmete tief durch und schaute ihrer Mutter in die Augen.
»Mama, ich kann es dir nicht sagen. Ich wünschte, ich könnte es, aber ich kann
es nicht.«
Julia nickte schließlich. »Wenn du mir
versicherst, dass es nicht um irgendeine Krankheit geht, dass Connie, Montrose
und die Mädchen wohlauf sind, dann werde ich warten, bis Connie sich
entschließt, mir selbst anzuvertrauen, was sie quält.«
»Es hat nichts mit einer Krankheit zu tun«, flüsterte Francesca
und dachte bei sich, wie krank ein gebrochenes Herz doch machen konnte.
Julia schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben. »Wenn man
gesund ist, Francesca, kann man letztlich alle Hindernisse überwinden.«
Francesca nickte. »Das mag wohl so sein.«
Julia umfasste ihre Schulter. »Es gefällt mir auch nicht, dich so
betrübt zu sehen.«
Francesca zuckte mit den Schultern. »Das wird
wieder vergehen.«
»Ja, gewiss.« Julia betrachtete sie forschend. »Mr Hart hat sich
also an euer Zusammentreffen auf Whites Party im Rooftop Garden gestern Abend
erinnert.«
Francesca erstarrte. Julia entging offenbar wirklich nichts! Sie
schien Augen im Hinterkopf zu haben und Ohren in den Handtaschen anderer Leute.
»Wieso sagst du das, Mama?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
Julia lächelte. »Er hat sich heute Abend einige Male nach dir
umgedreht. Glaub mir, Francesca, ich bin sogar von einigen meiner Freundinnen
darauf angesprochen worden.«
Francesca mochte es kaum glauben, welche Wendung die Unterhaltung
genommen hatte. »Mama, du denkst doch hoffentlich nicht ...«
»Genau das tue ich.« Julia lächelte. »Hart ist einer der reichsten
Junggesellen der Stadt. Weißt du eigentlich, dass er mit China handelt? Er
besitzt außerdem die größte Versicherungsgesellschaft New Yorks. Ich bin mir
bewusst, dass er einen etwas zweifelhaften Ruf hat, aber, Francesca, er ist
noch jung – erst sechsundzwanzig. Er stößt sich noch die Hörner ab, aber wenn
er erst einmal vor den Altar getreten ist, wird er schon zur Ruhe kommen, da
bin ich mir sicher.«
Wie konnte ihre Mutter auch nur für einen Moment glauben, dass
Calder Hart sich für sie interessierte? Und sie womöglich auch noch heiraten
wollte? Francesca fiel ein, was Sarah Channing in der Oper gesagt hatte, und
fragte sich, ob ihr möglicherweise
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