Brenda Joyce
Gedanken aus dem
Kopf! Du bist eine gute Partie; du bist schön, intelligent, stammst aus einer
hervorragenden Familie und bist vermögend. Vertraue mir, es wird nicht schwer
sein, einen Mann für dich zu finden.«
Francesca wich zurück. »Mama, ich will keinen Mann. Und du kannst
mich nicht mit Gewalt vor den Altar zerren.«
Julia lächelte verschmitzt. »Nicht einmal, wenn Calder Hart der
glückliche Bräutigam wäre?«
Francesca erstarrte. »Nicht einmal Calder Hart könnte mir die Ehe
schmackhaft machen«, erwiderte sie grimmig. »Mama, ich bin mir sicher, dass er
in deinen Augen zu einem weitaus weniger begehrten Junggesellen wird, wenn ich
dir verrate, dass er Braggs Halbbruder ist.«
Julia starrte ihre Tochter verblüfft an. »Aber ... aber wie ist
das möglich?«
»Sie haben
dieselbe Mutter. Er ist auch ein Bastard.«
Julia
erbleichte.
»Calder
Hart ist also nichts für mich.«
»Nun, das
bleibt erst noch abzuwarten«, erwiderte Julia. »Wie bitte? Du hast Bragg wegen
seiner Herkunft ausgeschlossen, also dürfte wohl das Gleiche für Hart
zutreffen!«, rief Francesca.
»Ich muss das erst mit deinem Vater besprechen«, erwiderte Julia nachdenklich.
»Das
verstehe ich nicht!«, rief Francesca.
»Bragg ist
mittellos. Er ist Staatsbeamter ...«
»Er war Anwalt, bevor er dieses Amt angenommen hat«, gab Francesca
wütend zurück.
»Ein Anwalt, der Gauner und Ganoven
verteidigt hat«, sagte Julia. »Ein Anwalt, der die bescheidensten Fälle
angenommen hat – und für seine Arbeit wenig oder gar kein Geld bekam.«
Francesca mochte kaum glauben, dass ihre Mutter über Braggs
Vergangenheit Bescheid wusste. »Wie in Gottes Namen hast du das alles
herausbekommen?«
»Als ich bemerkt habe, wie du ihn ansiehst, habe ich es mir zur
Aufgabe gemacht, mehr über ihn zu erfahren.« Sie zuckte mit den Schultern. »Und
glaube ja nicht, dass ich nicht wüsste, wie sehr es dich beeindruckt, dass er
die Armen und Bedürftigen verteidigt hat. Das macht ihn in deinen Augen nur
noch anziehender«, seufzte sie.
»Natürlich spricht mich das an – die Welt
braucht mehr selbstlose Männer wie Bragg. Aber Hart wäre trotz seines schlechten
Rufes akzeptabel, weil er reich ist?«, fragte Francesca entgeistert.
»Ich sagte, ich werde das mit deinem Vater besprechen«, erwiderte
Julia. »Aber dein Ehemann muss in der Lage sein, standesgemäß für dich zu
sorgen.«
»Connie hat Neil geheiratet, der arm wie eine Kirchenmaus war, und
Papa hat ihnen ein Vermögen gegeben!« Francesca schrie es beinahe heraus.
»Alle englischen Adligen sind verarmt. Aber Montrose brachte
immerhin eine adlige Abstammung – und nicht zu vergessen eine Vielzahl von
Titeln – in die Verbindung ein. Und er ist ein Gentleman.«
»Das ist Bragg auch. Oh Verzeihung! Er ist mittellos, besitzt
keinen Titel, und er ist ein Bastard! Offenbar sind wir wirklich zu vornehm, um
mit so etwas zu verkehren.« Sie starrte ihre Mutter zornig an.
»Sprich nicht auf diese Weise mit mir, Francesca!«, sagte Julia
warnend. »Ich bewundere deinen Idealismus, aber mit der Zeit wirst du
begreifen, wie es draußen in der Welt zugeht. Bragg ist nicht der richtige Mann
für dich. Und es tut mir Leid, dass du ihm noch immer nachtrauerst.«
»Nachtrauern?« Francesca war den Tränen nahe. »Nein, das tue ich
nicht. Und du hast keine Ahnung, was ich empfinde, weder für ihn noch für
irgendjemand sonst. Aber das ist auch egal. Deine Scheinheiligkeit irritiert
mich über alle Maßen. Ich werde jetzt zu Bett gehen!« Francesca wandte sich ab
und ging auf die Treppe zu.
»Eines
Tages wirst du mir für meine Worte danken, Schätzchen. Dies alles tue ich nur
für dich«, sagte Julia leise.
Francesca
rannte wütend die Treppe hinauf.
Als sie in ihrem Zimmer angekommen war und die Tür abgeschlossen
hatte, eilte sie zu ihrem Schreibtisch, fand aber keine Nachricht von Connie
vor.
Kapitel 11
DONNTAG, 2. FEBRUAR 1902 – 9 UHR
Als Francesca
das Frühstückszimmer betrat, fand sie ihren Vater allein dort vor. Andrew war
in die Times vertieft. Die fröhliche gelbe Tapete des Raumes, durch
dessen Fenster man auf den verschneiten Garten hinter dem Haus blicken konnte,
strahlte eine gewisse Intimität und Wärme aus. Auf der Anrichte stand eine
Vielzahl von abgedeckten Schüsseln, die, wie Francesca wusste, Eier, Würstchen,
Waffeln und Brötchen enthielten. Außerdem standen dort auch Kaffee, Milch,
frisch gepresster Orangensaft, Früchte sowie verschiedene Marmeladen
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