Brenda Joyce
bestimmt
in ihre Räumlichkeiten zurückgezogen, um ihrem gebrochenen Herzen etwas Ruhe zu
gönnen.
Joel wartete vor dem Eingangstor zur
Cahill'schen Villa auf Francesca. Sie freute sich, ihn zu sehen, und für einen
Moment besserte sich ihre Laune. Sie winkte eine Droschke heran, da sie ihre
Eltern nicht darauf aufmerksam machen wollte, dass sie fort war. Das Haus der
Randalls lag auf der Fifty-seventh Street, zwischen der Lexington und der
Fourth Avenue. Als sie und Joel dort ausstiegen, erblickte Francesca sofort
Braggs schönes Automobil, das in zweiter Reihe neben einer wartenden Kutsche
parkte.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Joel. »Dem Polypen wird das
nich gefallen.« Er schüttelte seinen dunklen Schopf.
»Lass mich nachdenken«, erwiderte sie kurz angebunden. Sie konnte
nicht leugnen, dass ihre erste Reaktion beim Anblick seines Wagens ein Gefühl
von Aufgeregtheit, gefolgt von einer echten Hochstimmung gewesen war – es
schien ganz so, als sollten sich Braggs und ihre Wege erneut kreuzen. Aber
schon sehr bald verspürte sie einen Anflug von Furcht, dass er darüber gar
nicht erbaut sein könnte. Doch Francesca rief sich in Erinnerung, dass sie
durchaus das Recht hatte, Mrs Randall ihre Aufwartung zu machen. Außerdem nahm
sie ja schließlich an den polizeilichen Ermittlungen teil und sollte Miss de
Labouche aufspüren – auch wenn es vielleicht nur eine Finte von Bragg gewesen
war, um sie von den eigentlichen Ermittlungen abzulenken. Sie musste sich nur
irgendeine plausible und überzeugende Erklärung ausdenken, warum sie die Suche
nach Georgette de Labouche zu Paul Randalls Witwe geführt hatte.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür des
viktorianischen Stadthauses aus rotem Backstein. Schon bald wurde die Tür von
einem Hausmädchen geöffnet.
Francesca reichte ihr ihre Karte und wartete
in der kleinen, dunklen Diele, während sich Joel neugierig umsah. Andrew hatte
Recht gehabt – Paul Randall hatte offenbar ein recht gewöhnliches Leben
geführt, war weder arm noch reich gewesen. Sein Heim war hübsch, aber klein;
es umfasste die Hälfte des Backsteinhauses. Eine schmale Treppe führte in die
erste Etage, wo vermutlich die Schlafzimmer untergebracht waren. Vom Flur aus
konnte Francesca das Esszimmer sehen, wo ein Tisch mit sechs Stühlen stand. Der
Holzboden unter ihren Füßen hätte wieder einmal gebeizt und an einigen Stellen
ausgebessert werden müssen, aber er war durchaus annehmbar. Es duftete nach
einem Sonntagsessen – nach gebratenem Perlhuhn.
Nach einer Weile trat das Mädchen aus einer Tür, die am Ende des
Flurs lag und wahrscheinlich in den Salon führte. »Folgen Sie mir bitte, Miss«,
sagte sie, während sie Joel ignorierte.
Francesca schritt den Flur entlang und
bedeutete Joel mit einem Blick, ihr zu folgen. Sie wurde in einen überladenen
Salon geführt, in dem etliche Sessel und Tische standen, aber nur ein
einziges, bereits ein wenig abgenutztes rotes Sofa. Volkstümliche Kunst
wetteiferte mit gerahmten Fotografien und einer Vielzahl von Sammlerstücken um
die Aufmerksamkeit des Betrachters. Mrs Randall saß auf dem Sofa und hielt ein
Taschentuch umklammert. Ihre Augen waren rot und verweint. Sie war eine
mollige Frau, die in ihrer Jugend wohl einmal recht hübsch gewesen sein musste.
Ihre Tochter, ein ziemlich unscheinbares blondes Mädchen in Francescas Alter,
stand hinter ihr und hatte ihr eine magere Hand auf die Schulter gelegt.
Sie schien ebenfalls untröstlich zu sein, und ihre Nase war ebenso rot und
geschwollen wie ihre Augen. Bragg erhob sich aus einem der Sessel, als
Francesca hereingeführt wurde. Er trug seinen üblichen dunklen, gut
geschnittenen Anzug, und sein Mantel lag über der Sessellehne.
Sie schenkte ihm ein zögerndes Lächeln.
»Guten Morgen, Miss Cahill«, sagte er. »Ich
habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis Sie Mrs Randall
einen Besuch abstatten.« Seine bernsteinfarbenen Augen waren voller Wärme und
betrachteten sie belustigt. Er schien weder beunruhigt zu sein, sie in diesem
Haus zu sehen, noch wütend über die Artikel in den Tageszeitungen. Francesca
nahm erfreut zur Kenntnis, dass er im Gegenteil ausgeruht und gut gelaunt
wirkte.
»Ich bin in einer offiziellen Angelegenheit
hier, Commissioner«, sagte sie und neigte den Kopf. Sie wollte nicht, dass er
mitbekam, welche Gefühle sie für ihn hegte.
Er blickte zu Joel hinüber. »Joel«, sagte er ein wenig widerwillig
anstatt einer
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