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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Scharen – berauscht vom Duft der Blüten, voller Zuversicht und nicht ahnend, daß für viele von ihnen dieser Frühling der letzte sein wird.
    Zuerst meldeten sich die Kranken und Verzagten. Bereits am Tor wurden sie von den Wachen begutachtet. Lahmende, Zahnlose, Aussätzige, Leute mit Erfrierungen oder solche, die mit ihren Kräften deutlich am Ende waren, wies man sofort ab, denen ohne sichtbare Schäden widmete man sich gründlicher. Man prüfte Gehör und Sehtüchtigkeit, hieß sie einen Bogen spannen, eine Axt schleudern, einen Speer werfen, einen Holzklotz stemmen und sich mit einem gräflichen Dienstmann raufen.
    Wurde einer für tauglich befunden, tauchte er kurze Zeit später in der Gesellschaft Bewaffneter in jener Gegend auf, aus der er stammte, beritten, ordentlich gekleidet und anscheinend mit sich und der Welt zufrieden. Doch zunächst waren es nur wenige, die den strengen Anforderungen genügten. Den meisten erklärte man, daß sie ungeeignet seien und schickte sie wieder weg. Anderen sagte man auf den Kopf zu, daß sie allenfalls einige Nächte im Freien verbracht hätten und erst unlängst ihrer Herrschaft entflohen seien. Leugnete der Betreffende, setzte man ihm solange mit Fragen zu, bis er sich verriet. Auch ihn ließ man ungeschoren ziehen.
    Dergleichen sprach sich herum, und allmählich festigte sich bei denen, die es anging, die Überzeugung, daß das Angebot des Grafen aufrichtig gemeint sei. Im Januar, als es so kalt war, daß man zuweilen alle paar Schritte auf einen toten Singvogel trat, kamen sie endlich, die Kühnsten der Kühnen, jene, die schon mehrere Winter im Wald überlebt und soviel auf dem Kerbholz hatten, daß die Bauern ihre Namen nie auszusprechen pflegten, ohne sich vorher umzusehen. Den Anfang machte ein gewisser Hemuzo, dessen für ihre tierische Grausamkeit berüchtigter Bande die Gefolgschaften der Grafen und Grundherren seit Jahren vergeblich nachstellten. Am zweiten Sonntag nach dem Dreikönigsfest klopften er und seine sechs Männer ans Tor und wurden hereingelassen. Die Wachen, die nicht wußten, wen sie vor sich hatten, wollten die Ankömmlinge wie üblich zu einem der Schuppen bugsieren, doch diese schoben sie einfach beiseite.
    »Nicht so eilig, Freundchen«, sagte, eher verwundert als zornig, einer der Wächter zu Hemuzo. »Wir möchten euch erst mal beschnuppern. Dort lang geht's! Vorher müssen wir euch aber ins Maul gucken. Na los, sperr deinen Schnabel schon auf!« Er schickte sich an, dem anderen an den Unterkiefer zu greifen.
    »Faß mich nicht an, du Wanze!« entgegnete Hemuzo träge.
    »Hoho! Was glaubst du denn, wo du hier bist? Sieh mich nicht an wie ein Wolf, sondern tu, was ich dir befehle. Wenn euch das nicht gefällt, könnt ihr gleich wieder verschwinden.«
    Hemuzo beachtete ihn nicht. Er legte die Hände um den Mund und brüllte in Richtung des Wohnhauses: »Graf Gero! Hemuzo ist hier!«
    Die Wächter wichen zurück.
    Kurz darauf stand die Bande vor Gero. Er betrachtete den Mann, den er so oft erfolglos gejagt hatte, und fragte schließlich: »Warum bist du gekommen?«
    »Nimm's mir nicht krumm, Herr Graf«, erwiderte Hemuzo ruhig, »aber das geht dich einen Dreck an.«
    »Ist wohl ein bißchen kalt im Wald, wie?«
    »Nein, warm wie im Backofen ist es.«
    Die Gefolgsleute blickten erstaunt, warteten auf ein Zeichen, über den dreisten Burschen herzufallen. Doch Gero schien sich an seinen Frechheiten nicht zu stören.
    »Hattest du keine Angst, daß ich dich betrügen könnte? Ein Wort von mir, und ihr seid hinüber. Kein Hahn würde nach euch krähen.«
    Hemuzo zuckte die Schultern. »Die meisten deiner Männer würden uns begleiten. Außerdem …«
    »Ja?«
    »Warum solltest du so etwas Dummes tun? Niemand würde dir mehr trauen. Räuber aber wird es immer geben. Nach einiger Zeit finge daher für dich wieder alles von vorn an. Nein, mit solchen Schlichen wird man der Räuber nicht Herr.«
    »Du bist nicht auf den Kopf gefallen«, lobte ihn Gero. »Wirst du dich meinen Anordnungen fügen?« erkundigte er sich nach einer Pause.
    Auf dem hageren Gesicht Hemuzos erschien die Andeutung eines Lächelns. »Was du nicht alles wissen willst, Herr Graf. Ich habe noch nie einem Mann, der zu mir wollte, solch eine Frage gestellt. Und trotzdem wirst du auf der ganzen Welt keinen finden, der behaupten könnte, er hätte sich mir widersetzt.«
    »Also schön, lassen wir es darauf ankommen. Was euch blüht, falls ihr nicht gehorcht, ist dir schließlich

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