Brennaburg
ich diese schlechten Menschen getroffen! Jetzt bin ich Räuber.«
»Das bist du zweifellos«, sagte Gero, ihn unschlüssig betrachtend.
»Du kannst ihm getrost trauen, Herr Graf«, meldete sich Wolfram zu Wort. »Wir haben uns anfangs ebenfalls vor ihm gegrault, hielten ihn für einen Waldgeist. Inzwischen haben wir uns an seine häßliche Fresse gewöhnt. Glaub mir, er ist ein Prachtkerl. Im Gefecht kämpft er für drei, sofern man nicht schon vor seinem Anblick ausreißt. Außerdem ist er ein lustiges Huhn, du hast es ja erlebt; freilich auch ein bißchen verrückt. Nimm ihn oder laß es, doch ohne ihn bleiben wir nicht.«
»Was meinst du?« wandte sich der Graf an Konrad. »Einerseits möchte ich ihn, denn einem Mann, der sich von Italien bis hierher durchgeschlagen und unterwegs nicht das Lachen verlernt hat, begegnet man nicht alle Tage. Wie aber, wenn es bei ihm nun nicht mit rechten Dingen zugeht? Der Satan, heißt es, kann in jeder Gestalt daherkommen.«
Konrad dachte nach. »Wenn der Satan jede Gestalt anzunehmen vermag«, erwiderte er schließlich, »warum nicht auch die eines unserer Knechte? Oder meine? Oder, verzeih, deine? Wir dürften dann niemals sicher sein.«
Gero nickte ihm anerkennend zu. »Gut gesprochen! Sag das nachher unseren Leuten – falls sie wegen des Schwarzen zu murren anfangen. Mich laß natürlich aus dem Spiel.« Mit einem Blick auf Peppo fügte er hinzu: »Wohl ist mir trotzdem nicht dabei. Wir wissen ja nicht einmal, ob überhaupt Blut in seinen Adern fließt.«
»Wenn du es wünschst, Herr Graf, frage ich ihn danach.«
»Untersteh dich! Zweimal hat er mich schon ausgelacht, und das vor den Männern … Nein, nein, wir müssen uns gedulden. Hoffentlich wird er bald verwundet, damit wir wissen, woran wir mit ihm sind.«
2
V ON O KTOBER BIS in den November hinein war der Graf beinahe täglich mit der Gefolgschaft unterwegs gewesen, um auf den Burgen Ordnung zu schaffen; denn deren Besatzungen, seit Siegfrieds Tod ohne Aufsicht, hatten sich in den benachbarten Ortschaften zahlloser Übergriffe schuldig gemacht. Viele stahlen lieber, statt sich in der eigenen Wirtschaft abzuplagen, erpreßten von den Bauern Schutzgebühren, stellten ihren Frauen und Töchtern nach.
Schneller als erwartet ergab sich für den jungen Konrad dadurch die Gelegenheit, beweisen zu können, daß er auch zu hartem Durchgreifen fähig war. Anfangs bedrückte es ihn freilich, den Büttel spielen zu müssen. Befahl er, jemanden zu binden und zu prügeln, hatte er häufig nur einen Wunsch: daß ihm der Graf endlich das zwischen ihnen vereinbarte ›Sei gnädig, mein Freund, du siehst ja, er bereut‹ zurief. Die Heimtücke dieser Menschen, die hämische Art, mit der sie einander auf die schmächtige Gestalt seines Wohltäters aufmerksam machten und nicht zuletzt die Berichte der von ihnen drangsalierten Bauern verbitterten ihn aber bald so, daß er immer öfter selbst zu Stock oder Peitsche griff. Sein finsteres Gesicht, dem man jede Gemütsbewegung sofort ansah, wurde rasch bekannt. Wenn er rot anlief, den Kopf senkte und, die Stirn in Falten gelegt, jemanden verwarnte, galt das als sicheres Zeichen, daß er kurz davor stand, die Gewalt über sich zu verlieren.
Die Gefolgschaft war ihm eine verläßliche Stütze. Nach seiner Ernennung hatten ihn die Männer mehrfach ermahnt, niemals zu vergessen, daß er einer der Ihren war: Sollte er dem Grafen in den Hintern kriechen, würde sie nichts daran hindern, ihn mit einem Ruck wieder hervorzuziehen. Solche Reden verstummten jedoch bald, denn die Aufsässigkeit, die sie überall empfing, ließ selbst den Dümmsten erkennen, daß sie sich nur zu behaupten vermochten, wenn sie einander bedingungslos beistanden.
Als die Räuber eintrafen, rückten die Männer noch enger zusammen. Es war für den Grafen nicht leicht gewesen, ihnen begreiflich zu machen, weshalb er die zu erobernden slawischen Burgen ausgerechnet mit diesem Gesindel besetzen wollte. Erstaunt vernahmen sie, daß diejenigen, die sie jahrelang bekämpft und, sofern sie ihrer habhaft geworden waren, wie Ungeziefer vernichtet hatten, für eine solche Aufgabe nicht weniger geeignet wären als die königlichen Dienstleute, die zunächst dafür vorgesehen waren. Räuber, so erklärte ihnen der Graf, seien daran gewöhnt, ihre Kräfte vor jeder ihrer Unternehmungen genau abzuschätzen, weswegen ihnen Übermut ebenso fremd sei wie Kopflosigkeit. Zudem träumten sie, des unsteten Daseins gründlich
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