Brennaburg
vorsichtshalber sagen, daß ich niemanden verschonen werde, wenn auch nur einem einzigen meiner Krieger ein Haar gekrümmt wird.«
»Wer soll krümmen?« erwiderte Prebor heftig. »Frauen? Kinder? Alte? Kranke?«
»Wie du willst. Ich habe dich gewarnt. Und jetzt vorwärts!«
Prebor raffte seinen Pelz zusammen und setzte sich in Bewegung. Konrad und der Graf schlossen sich ihm an, danach kamen Richolf und seine Männer. Die Gefolgschaft blieb zunächst bei den Pferden zurück.
Vor dem Tor stockte Richolf und spähte zum Wall empor, dessen Front so ebenmäßig mit Lehm verputzt war, daß es fast unmöglich schien, ihn zu erklimmen. »Verflucht lange Leitern hätten wir gebraucht«, stellte er, an die Seinen gewandt, mit lauter Stimme fest. »Und selbst dann wäre es kein Spaziergang geworden. Danken wir dem Schwachkopf da vorn, daß er uns das erspart hat.«
Konrad bemerkte, daß Prebor bei diesen Worten langsamer wurde und wie frierend die Schultern hochzog.
Hinter dem Tor begann ein Tunnel, der durch den Wall geradewegs in die Burg führte. Der Hof war weniger geräumig, als es von außen den Anschein hatte. In der Mitte befand sich der Brunnen, daneben ein großes Wohnhaus. Ringsherum, sich an die Wallmauer lehnend, lagen kleinere Gebäude. Von ihren Dächern stoben Dohlen auf, schrieen gellend. Menschen waren nicht zu sehen.
Im Handumdrehen nahmen die Männer die Burg in Besitz. Einige stürmten den Wehrgang hinauf und lieferten sich mit den Kriegern draußen übermütige Wortgefechte. Die meisten durchsuchten jedoch die Häuschen und teilten einander ihre Entdeckungen mit.
Während die Leute stöberten, besichtigte Konrad die Stallungen. Danach kehrte er zum Ausgang zurück. Prebor, noch immer grau im Gesicht, starrte vor sich hin; seine Augen glänzten fiebrig. Der Graf, der drei Schritte hinter ihm stand und nicht minder verbissen blickte, machte Konrad ein Zeichen, zu ihm zu kommen.
»Wo treibst du dich herum?« flüsterte er mit vor Wut zitternder Stimme. »Dieses Pack führt sich auf, als hätte ich mich in Luft aufgelöst, und du unternimmst nichts dagegen. Was soll der da von mir denken? Ich muß ihm erklären, warum wir hier sind, doch wie kann ich das, solange sie wie streunende Köter in jedem Winkel herumschnüffeln! Worauf wartest du noch? Ich will, daß das sofort aufhört. Und schaffe mir diesen Richolf herbei; er soll bei meiner Ansprache zugegen sein.«
Konrad fand den einstigen Mönch in die Betrachtung eines ungewöhnlich großen, auf dem Boden ausgebreiteten Bärenfells vertieft.
»Bist du blind und taub, Kastellan?« herrschte er ihn an. »Es ist eine Schande, wie sich deine Leute betragen. Nimm zehn von ihnen und begebt euch zum Grafen. Den anderen befiehl, die Pferde zu holen. Oder hoffst du, sie kommen von allein in die Burg?«
»Herr, dein Wille geschehe, wie in der Heimat also auch hier«, entgegnete Richolf friedfertig. Er stieß einen Pfiff aus, und nun zeigte sich, daß man ihm durchaus gehorchte, denn von überallher eilten die Männer auf ihn zu. Im Nu hatte er sie in zwei Gruppen geteilt.
Als sie beim Grafen eintrafen, wurde gerade die Tür des Wohnhauses geöffnet, und eine Frau trat heraus. Auf der Schwelle verharrte sie einen Moment und hüllte ihren Kopf in eine Hermelinkapuze. Ihr folgten drei hochgewachsene junge Männer und danach das Gesinde. Ohne nach rechts und links zu blicken, lief die Schar zum Brunnen und stellte sich dort auf.
Gero machte in die Richtung der Frau eine knappe Verbeugung.
»Sind das alle?« fragte er Prebor.
»Ja. Außer ganz kleine Kinder.«
»Gut«, sagte der Graf heiser. Er runzelte die Stirn, tat ein paar Schritte und drehte sich dann so, daß er Prebor ins Gesicht schauen konnte. »Jetzt zu dir«, sprach er weiter. »Wie du natürlich längst begriffen hast, bin ich nicht als Gast gekommen. Es ist deine Treulosigkeit, die mich hierher geführt hat. Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern, daß du einer von denen bist, die das, was sie mit der einen Hand geben, mit der anderen wieder zu nehmen pflegen. Einige Jahre haben wir dem tatenlos zugesehen, nun ist unsere Geduld zu Ende. Um mich kurz zu fassen: Wir werden deine Burg besetzen, und zwar so lange, bis wir die Gewähr haben, daß wir dir fortan trauen dürfen. Das ist es, was ich dir mitzuteilen habe.«
Mit der ihm eigenen ungekünstelten Gelassenheit hatte Prebor dem Grafen zugehört. Er gab sich weder erstaunt noch empört, und lediglich sein Atem verriet, wie erregt er
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