Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
Vom Netzwerk:
Fischräuber eine Belohnung. Solange sie da sind, traut sich kaum einmal ein Eisvogel heran, von Reihern ganz zu schweigen. Bis die Vögel bemerkt haben, daß die Wachen abgezogen sind, dürfte wenigstens ein halber Tag vergehen, weswegen die Anwesenheit der Reiher den Schluß zuläßt, daß man bereits seit dem Morgen mit unserer Ankunft rechnete.«
    Sowie sie den Eichenwald passiert hatten, erblickten sie in einer flachen Senke ein Dorf: etwa anderthalb Dutzend Gehöfte mit Gärten, umgeben von Weideland und Äckern. Einigen Häusern entstiegen auffallend dünne Rauchsäulen: offenbar hatte man die Herdfeuer gelöscht, war dabei aber nicht immer sorgfältig genug verfahren. Und auch wohin die Bewohner geflüchtet waren, wurde einem rasch klar, denn über der Burg im Hintergrund schwebte eine ungewöhnlich große Qualmwolke. Es war die Art von Qualm, die entsteht, wenn sehr viele Menschen auf engstem Raum kochen.
    Nachdem sie das erste Gehöft durchsucht hatten, ritten sie langsam zum anderen Ende des Dorfes. Ein Hund, den man wohl vergessen hatte, sprang winselnd beiseite, soff aus einer Pfütze, schüttelte sich und verschwand danach hinter einem Speicher. Einmal war es Konrad, als werde er beobachtet. Er drehte sich um und zuckte zusammen: Auf dem untersten Ast einer Linde, zwei Armlängen von seinem Kopf entfernt, saß, einen Buchfink im Fang, eine Katze und starrte ihn wie gebannt an. Die zarten Zehen des kläglich fiependen Vogels umklammerten die eine Hälfte ihrer Schnurrbarthaare und bog sie nach unten, was der Katze ein sonderbar grämliches Aussehen verlieh.
    Bis auf zahllose Sperlinge und eine Elster, die auf einer zerbrochenen Egge hockte, schienen das die einzigen lebenden Seelen zu sein. Kein Hahn krähte, kein Schwein grunzte, kein Schaf blökte, kein Ochse brüllte. Keine Tür knarrte, kein Brunnendeckel polterte, keine Handmühle ächzte. Kein Kind lachte. Die einrückenden Krieger blickten gespannt, auf etlichen Mienen lag ein Ausdruck von Unbehagen, und Konrad ahnte, was in ihnen vorging: Auch ihn erinnerte die unnatürliche Stille des verlassenen Ortes an die entvölkerten thüringischen Dörfer während des letzten ungarischen Einfalls.
    Als sie den Ostrand der Siedlung erreicht hatten, zeigte Gero zur Burg. Auf dem Wehrgang wimmelte es von Menschen. Vor dem Tor aber, dort, wo die Brücke den Graben überquerte, stand, barhäuptig und mit einem knielangen Pelz angetan, ein Mann. Das linke Auge mit einer Hand vor dem Wind schützend, schaute er ihnen reglos entgegen.
    »Prebor«, sagte der Graf.
    Er war bisher, wie stets, völlig ruhig gewesen; nun, da er diesen Namen ausgesprochen hatte, änderte sich das jäh. Er leckte sich die Lippen, blinzelte heftig, kratzte sich im Nacken und rutschte im Sattel umher. Schließlich nickte er Konrad einige Male zu, so lange, bis dieser begriff: Der Graf wollte nicht, daß man seiner Stimme die Erregung anmerkte, und wünschte daher, daß er alles Nötige veranlaßte. Sogleich befahl Konrad der Gefolgschaft, ihn und Gero zu begleiten, allen anderen jedoch, zurückzubleiben. Nachdem sich die Männer versammelt hatten, ritten sie im Schritt weiter.
    Auch der Mann vor der Burg setzte sich in Bewegung. Auf der Mitte der Brücke verharrte er, spähte zu ihnen hinüber und lief bis zum äußeren Ufer des Grabens, wo er wieder haltmachte und sie erwartete. Er war größer, als Konrad vorhin gemeint hatte; ein wahrer Riese mit einem mächtigen Schädel und einem rindenfarbenen, eigentümlich spitzen Bart. Seine Miene zeigte weder Neugier noch Argwohn oder Furcht, sondern einen fast schläfrigen Gleichmut. Während er ihnen beim Absitzen zuschaute, strich er sich wie abwesend ein Graupelkorn aus den Wimpern. Plötzlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht, er breitete die Arme aus und trat einen Schritt vor.
    »Mein Freund!« rief er mit klangvoller Baßstimme aus, »du bist es wirklich! Ich grüße dich! Verzeih, daß ich dir nicht entgegengeritten bin, aber man hat mir nicht gesagt, daß du es bist.«
    Gero verneigte sich knapp und sagte: »Ich grüße dich ebenfalls.«
    »Dank, dank, dank«, erwiderte Prebor voller Wärme, wobei er die Hände vor der Brust faltete und sie im Takt seiner Worte auf und nieder bewegte. »Kommst du mich besuchen! Ich kann's gar nicht glauben. Welche Freude und Ehre für mich! Ich bitte dich, sei mein Gast.«
    »Recht gern. Doch wie ich sehe«, sagte der Graf und wies zum Wehrgang empor, »hast du bereits Gäste.«
    »Gäste?«

Weitere Kostenlose Bücher