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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Erneut spähte er in die Runde. Die meisten hatten den Bärtigen vermutlich gar nicht wahrgenommen. Erschöpft blinzelnd tasteten sie nach ihren Bechern, legten wie Vögel die Köpfe zurück und gossen den Wein in ihre Kehlen. Lediglich Liub war keine Trunkenheit anzumerken. Kerzengerade saß er da und schaute Ratibor an, als wollte er ihn verschlingen.
    Wieder knarrte die Tür, und wieder erschien auf der Schwelle die Gestalt des stämmigen Dienstmannes. »Es handelt sich doch um einen Überfall, Herr Graf«, verkündete er. »Einer von Hattos Knechten hatte fliehen können, er traf soeben ein. Er berichtete, daß man die anderen gefesselt habe und demnach beabsichtigt, sie zu verschleppen. Er meint, die Bande bestünde aus etwa zehn Männern. Wenn wir sofort losreiten, könnten wir sie noch erwischen.«
    »Verdammt!« Der Graf hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Was ist mit Christian?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er ihnen schon auf den Fersen. Vielleicht haben sie ihn aber auch abgelenkt.«
    »Weshalb zögerst du?« fragte Thietmar Gero. Er raufte sich das Haar. »Willst du Hatto seinem Schicksal überlassen?«
    »Selbstverständlich nicht!«
    Während Ratibor den Wortwechsel verfolgte, spürte er, wie sich von seinen Achselhöhlen unaufhörlich Schweißtropfen lösten und ihm die Seiten herunterrannen. Plötzlich ertappte er sich dabei, daß er begonnen hatte, sie zu zählen. Er sprang auf. »Wo ist Konrad?« rief er, auf den leeren Stuhl weisend.
    Der Mann an der Tür hob verblüfft die Brauen. »Ich habe ihn losgeschickt, um Graf Christian zu suchen. Was willst du denn von ihm?«
    »Suchen? Wo? Im Wald? Jetzt, in der Nacht?«
    »Was kümmert's dich?« entgegnete der Bärtige grob.
    »Was erlaubst du dir, Otfried!« herrschte ihn Gero an. »Kriegst gleich eins auf dein freches Maul. Entschuldige dich bei dem Fürsten, und zwar auf der Stelle! Ansonsten setzt es was.«
    Der Mann verneigte sich vor Ratibor. »Ich bitte dich um Verzeihung, Herr«, sagte er mit ausdrucksloser Miene. »Es ist die Aufregung. Ich versichere dir, es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Das möchte ich dir auch geraten haben!« sagte Gero. Und zu Ratibor gewandt: »Wie ist es, lassen wir es dabei bewenden? … Du hast gehört, was sich ereignet hat«, fuhr er, ohne die Antwort abzuwarten, fort. »Es bleibt mir nichts weiter übrig, als unverzüglich aufzubrechen.«
    Ratibor starrte ihn an. »Wir werden dich begleiten«, sagte er, die Worte dehnend.
    Gero runzelte die Stirn. »Uns begleiten? Weshalb?«
    »Um euch zu helfen.«
    Gero sah kurz zu Thietmar, lächelte dann und berührte Ratibor am Arm. »Ich danke dir, Freund«, sagte er, »aber ich darf dein Angebot nicht annehmen. Blicke dich doch um, die meisten könnten sich ja nicht einmal auf einem Pferd halten. Außerdem: Wenn auch nur einem einzigen von euch etwas zustieße, würde es mich den Kopf kosten. Nein, es ist unmöglich.«
    »Und wenn uns hier etwas zustößt?«
    »Hier? Ich begreife nicht.«
    »Der Überfall kann eine Täuschung sein. Die Räuber locken euch weg und reiten danach zur Burg.«
    Gero lachte. »Wann hätte es das jemals gegeben, daß Räuber sich an einen Hof heranwagten, von dem bekannt ist, daß er Tag und Nacht bewacht wird? Außerdem soll die Bande kaum ein Dutzend Häupter zählen. Aber um ganz sicherzugehen, werde ich befehlen, daß man euch Gabeln aushändigt, mit denen man Sturmleitern abwehren kann … Und nun, ihr Herren, erlaubt, daß wir uns entfernen. Ich bin überzeugt, daß wir vor dem Morgengrauen zurück sind. Gehabt euch unterdessen wohl.«
    Er stand auf, nickte ihnen zu und verließ mit Thietmar und dem Bärtigen den Raum.
    Während ihre Schritte verhallten, schaute Ratibor zu den anderen. Sein Blick saugte sich an Liub fest, der ihn sofort erwiderte. Liubs Wangenmuskeln spielten, er wirkte hellwach. Ich bin bereit, besagte seine Miene, fang doch endlich an!
    Ratibor holte tief Luft, ergriff einen Weinkrug und schmetterte ihn gegen das Gebälk oberhalb der Tür. »Folgt mir, Brüder!« rief er. »Wir sind in höchster Gefahr!«
    Die Männer hoben die Köpfe und betrachteten ihn zweifelnd.
    »Was hat denn das zu bedeuten?« hörte er die Stimme des alten Fürsten. »Weshalb schreist du herum?«
    Verdutzt sah Ratibor zu ihm herab. Pribislaw war immer öfter eingenickt und hatte zuletzt sogar etliche Male laut geschnarcht. Er hatte mit dem Alten nicht mehr gerechnet, doch wie es jetzt schien, war dem der kurze Schlaf gut bekommen.

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