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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Berittener, die er als Männer des Königs erkannte.
    Sich gegen den Wind stemmend, ging er auf sie zu. Ihr Anführer, ein schmalnasiger Jüngling mit einem scheckigen Bart, erwiderte seinen Gruß mit einem knappen Nicken und eröffnete ihm vom Pferd herunter, daß ihn der König, der gegenwärtig in Quedlinburg weile, unverzüglich zu sprechen wünsche.
    »Wann werde ich wieder zurück sein?« erkundigte sich der Graf und bereute diese Bemerkung sofort.
    Der Jüngling musterte ihn kalt. »Woher soll ich das wissen, Herr?« entgegnete er. »Es hängt davon ab, was du ausgefressen hast. Bringt ihn her, hat man uns gesagt, tot oder lebendig, und das werden wir tun.«
    Gero wollte sich entfernen. »Halt!« schrie der andere, sich im Steigbügel aufrichtend. »Wohin gehst du?«
    »Mein Gefolge zusammenrufen.«
    »Das brauchst du nicht. Heute sind wir dein Gefolge. Und sollte es dir beschieden sein, deinen Hof wiederzusehen, werden wir dich auch dann begleiten. Falls nicht …« Er zuckte die Schultern.
    Der Graf war stehengeblieben. Von Otto hieß es, daß er die Art, in welcher er jemanden zu sich lud, seinen Abgesandten bis in alle Einzelheiten vorschrieb und sich nachher schildern ließ, wie sie der Betreffende aufgenommen hatte; vermutlich erhoffte er sich dadurch Aufschlüsse über dessen Gemütszustand. Traf das zu, war es jetzt höchste Zeit, den Mann in die Schranken zu weisen, denn wenn er dessen Unverschämtheiten weiterhin ertrug, kam dies einem Schuldgeständnis gleich.
    Während er sich die Worte zurechtlegte, schaute er durch das offenstehende Tor zur Wiese hinüber, dorthin, wo die niedergebrannte Scheune gestanden hatte. Er hatte den schwärzlichen Fleck zuschütten und Gras darauf aussähen lassen; längst bedeckte ihn ein grüner Flaum. Plötzlich bemerkte er, daß am Eingang Bewaffnete Aufstellung genommen hatten; auf beiden Seiten jeweils ungefähr ein halbes Dutzend. Knechte führten gerade ihre Pferde in den Stall.
    »Sie werden einige Tage hierbleiben, um sich mit deinen Leuten zu unterhalten«, hörte er den Schmalnasigen sagen.
    Er wechselte einen Blick mit Otfried, der ein paar Schritte von ihm abgerückt war und durch Miene und Haltung zu erkennen gab, daß er ihn bereits für verurteilt hielt. Sogleich spürte er, daß er viel zu mutlos war, um glaubhaft den Empörten hervorkehren zu können. Er winkte Otfried heran und befahl ihm, die Stute und einen Pelz zu bringen.
    Jaulend und knatternd umsprang der Sturm die Gebäude, riß Stroh von den Dächern, trieb welkes Laub zusammen und zerstreute es wieder. Das Geflügel preßte sich an den Boden, die Mägde, ihre Gesichter mit den Händen schützend, tasteten sich an den Häuserwänden entlang. In den mit einer Eishaut bespannten Pfützen blitzte die Sonne. Über den hohen blaßblauen Himmel jagten Wolkenfetzen, so geschwind, als liefen sie mit ihren Schatten drunten um die Wette.

3
    A LS SIE VOR dem Wirtschaftshof am Fuße des Burgberges anhielten, war es später Abend. Der eisige Novembersturm hatte den Himmel blankgefegt; überall blinkten Sterne, und der Mond glänzte wie geputztes Silber.
    Der junge Anführer, der unterwegs nicht ein einziges Wort zu Gero gesprochen hatte, wandte sich um. »Steig vom Pferd, Herr«, sagte er, »die Reise ist zu Ende. Hier wirst du nächtigen.«
    »Soll dies heißen, daß mich der König heute nicht mehr empfängt?« erkundigte sich der Graf.
    »So ist es.«
    »Und morgen? Wann werde ich morgen mit ihm reden können?«
    »Das wirst du rechtzeitig erfahren.«
    Sowie Gero abgesessen war, schwang sich auch der andere aus dem Sattel und lief zum Tor. Er hieb dreimal mit dem Knauf seines Schwertes dagegen und brüllte einen Namen, den Gero nicht verstand. Ein Hund begann zu kläffen, eine Tür klappte, jemand fluchte, und vom Heulen des Windes untermalt, näherten sich Schritte.
    »Wer ist dort?« fragte ein heiserer Baß.
    »Wir sind's, bringen euch euren Gast.«
    Der eine Flügel des Tores wurde geöffnet. »Welcher ist es?«
    »Da hast du ihn«, erwiderte der Schmalnasige und schob den Grafen hinein.
    Im spärlichen Mondlicht erkannte Gero die Umrisse zweier Gestalten. Während die eine das Tor schloß, kam die kleinere auf ihn zu und sagte, den Zügel ergreifend, mit kindlicher Stimme: »Überlaß mir dein Pferd, Herr. Sei unbesorgt, es wird es gut bei mir haben.«
    Der andere, ein riesiger Kerl, schien zu warten. Als sich der Knabe mit der Stute ein Stück entfernt hatte, berührte er Gero an der Schulter

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