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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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lange nicht sehen lassen?«
    »War Regen«, sagte sie unwillig. »Bei dir nicht? Und dann bist du nicht in Hof.«
    »Woher weißt du das?«
    »Woher weiß ich! Hat mir Wind gesagt.«
    Otto wurde beklommen zumute. All die Tage hatte er gemeint, daß es ihn Mühe kosten würde, sie nicht sofort in die Arme zu schließen. Er hatte sie mit zärtlichen Worten überschütten wollen und plagte sie nun mit Fragen, die jeden Sinn verloren hatten. Doch noch während er sich das vorhielt, hörte er sich sagen: »Dafür gibt es eine Erklärung. Du hattest diesem Einbeinigen von unserem Gespräch erzählt. Das war ein großer Fehler, denn jetzt bildet er sich ein –« Er brach ab und preßte die Hände gegen die Schläfen.
    Milorada krauste die Stirn. »Bist du böse darum?«
    »Nein!« stieß er verzweifelt hervor. »Bitte, laß uns setzen.«
    Sie machte eine unschlüssige Gebärde, nahm aber dennoch Platz. »Hat Tugumir dir schlecht gesprochen?« forschte sie weiter.
    Otto lachte gequält. »Nicht direkt. Kleiner König schläft, hat er gesagt. Das ist wohl so üblich bei euch, Größere als klein zu bezeichnen. Er scheint mich nicht besonders zu mögen. Nun, das kann ich ihm nicht verdenken. Übrigens ist er sehr kühn.«
    »Hat er gesagt in deiner Sprache?« fragte sie ungläubig.
    Otto nickte.
    »Was ist kühn?«
    »Mutig, furchtlos.«
    Sie zögerte. »Und woher weißt du?«
    »Daß er kühn ist? Man merkt es ihm an. Außerdem können seine Wächter ein Lied davon singen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Tugumir ist dumm«, sagte sie heftig. Er betrachtete sie von der Seite. Hilf mir doch ein bißchen, wollte er sagen, doch als er ihre abwesende Miene sah begriff er, daß sie ihm längst entglitten war. Vermutlich nicht allein wegen seines Verhaltens, da steckte noch etwas anderes dahinter. Gleichviel, es war zu spät.
    Sie warf ihre Haare zurück, und wie zum Hohn streifte ihr eine Strähne. »Werde ich wieder gehen«, sagte sie leise.
    Er lauschte den Worten hinterher. Obwohl er darauf gefaßt gewesen war, befiel ihn Trauer. Hastig sagte er: »Milorada, höre mich an. Ich habe mich noch nie nach jemandem so gesehnt wie nach dir. Ich habe jeden Tag an dich gedacht, und jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich verstehe das selbst nicht.«
    Sie zuckte die Schultern. »Aber wir sagen doch.«
    »Ja, wir unterhalten uns über deinen Bruder …«
    Sie lächelte. »Und worüber möchtest du unterhalten, Junge?«
    »Ich habe jeden Tag an dich gedacht«, wiederholte er aufgebracht. »Nichts macht mir mehr Spaß.«
    »Vorher hat dir auch nicht Spaß gemacht.«
    »Ach! Das war etwas anderes … Ich habe sogar von dir geträumt. Und nun willst du einfach gehen.«
    »Geträumt auch? Wie oft?« fragte sie mit gespieltem Erstaunen und lehnte sich zurück.
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Das ist schlecht«, sagte sie. »Mußt du wissen. Und was habe ich in Traum getan?«
    »Nichts. Ich habe dich angesehen.«
    »Das ist gut. Kein Regen, ich gehe viel spazieren, und du kannst mich immer sehen. Mußt du schon nicht mehr träumen.«
    Otto erhob sich. »Warum bist du gekommen? Um dich über mich lustig zu machen?«
    Sie blickte mit einem sonderbaren Ausdruck zu ihm hoch. Dann griff sie seufzend nach seiner Hand. Nachdem er sich widerstrebend gesetzt hatte, strich sie ihm übers Haar, legte ihren Kopf an seine Schulter und sagte dumpf: »Ich habe dich auch gedacht.«
    Geraume Zeit saßen sie so nebeneinander. In seinen Ohren summte es, immer lauter, Wärme durchströmte ihn, immer mehr. Obwohl sich keiner von beiden bewegte, spürte er nach einer Weile, wie ihm ihr Körper entgegenkam. Er wartete ab, und erst, als der Druck unerträglich wurde, begann er, ihr Gesicht zu streicheln. Sowie er ihre Lippen berührte, prallte sie zurück und starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. »Was wird werden, Junge?« flüsterte sie.
    Was meinst du damit, wollte er fragen, doch da hatte sie die Augen bereits wieder geschlossen.

3
    W IE DIE MEISTEN Liebenden neigten auch Otto und Milorada zu der Annahme, daß ihre Begegnung, anscheinend vom Zufall gestiftet, in Wirklichkeit unvermeidlich gewesen war. Zwar spielten sie zuweilen mit dem Gedanken, sie hätten sich verfehlen können, doch nur, um danach um so fester zu glauben, daß dies ausgeschlossen sei.
    Damit waren sie der Wahrheit recht nahe, wenngleich sie sich über das, was sie zusammengeführt hatte, gründlich irrten. Zwar entsprangen die Entscheidungen, die ihren gleichzeitigen Aufenthalt in

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