Brennen Muss Salem
sah ihn nicht. Ihre Augen fixierten Ben, nur Ben – dunkel, haßerfüllt ... und voll von Furcht.
Als sie sich dem Tisch näherte, warf Jimmy von hinten beide Arme um ihren Hals. Sie stieß einen hohen pfeifenden Ton aus und wand sich unter seinem Griff. Ben sah, wie Jimmy an ihrer Schulter ein Stück Haut wegkratzte. Es kam kein Blut, der Kratzer war wie ein lippenloser Mund. Und dann geschah das Unglaubliche: Sie schleuderte Jimmy von sich, quer durch das Zimmer. Im Fallen fegte Jimmy den Portable vom Tisch und landete in einer Ecke.
Im Bruchteil einer Sekunde war sie bei ihm, riß seinen Kragen auf, und Ben sah ihre geöffneten Kiefer, als sie sich auf Jimmy stürzte.
Jimmy Cody schrie – den gellenden verzweifelten Schrei eines Verdammten.
Ben warf sich über Marjorie und fiel beinahe über den Fernsehapparat, der auf dem Boden lag, hörte stoßweises Atmen und das widerliche Geräusch von schmatzenden Lippen.
Einen Augenblick lang sein Kreuz vergessend, riß er ihren Kopf empor. Ihre Augen waren weit geöffnet und glänzend, Kinn und Lippen waren von Blut beschmiert, das schwarz aussah in der nun fast totalen Finsternis.
Marjories Atem roch nach unaussprechlicher Fäulnis. Wie in Zeitlupe sah Ben ihre Zunge über die Lippen streichen.
Als ihre Arme ihn umfassen wollten, riß er das Kreuz hervor.
Das runde Ende einer der Spachteln traf sie am Kinn – und fuhr nach oben, ohne Widerstand im Fleisch zu finden. Bens Augen wurden von einem Lichtstrahl geblendet, den er nicht sah. Da war der Geruch von verbranntem Fleisch, und ein Schmerzensschrei drang aus ihrer Kehle. Er spürte mehr als er sah, daß sie sich nach hinten warf, über den Fernsehapparat stolperte und zu Boden fiel. Mit der Schnelligkeit eines Wiesels sprang sie wieder auf die Füße, die Augen halb geschlossen vor Schmerz, aber immer noch von diesem wahnwitzigen Hunger erfüllt. Das Fleisch ihres Unterkiefers war verkohlt. Sie fauchte ihn an.
»Komm, du Bestie«, stieß er hervor. »Komm nur, komm.«
Er hielt das Kreuz hoch und trieb sie in eine Ecke am ändern Ende des Zimmers. Dort würde er ihr das Kreuz durch die Stirn treiben.
Doch kaum berührte ihr Rücken die Wand, da brach sie auch schon in ein hohes, kicherndes Lachen aus, das ihn erschaudern ließ.
»Auch jetzt kann man lachen! Auch jetzt wird dein Kreis kleiner!«
Vor seinen Augen schien ihr Körper zu wachsen und durchsichtig zu werden. Einen Augenblick lang dachte er, sie sei noch da und lache ihn aus, doch da fiel das Licht der Straßenlaterne auf eine leere Wand. Wie Rauch hatte Marjorie sich aufgelöst.
Sie war verschwunden.
Und Jimmy schrie.
Ben drehte das Licht an und wandte sich Jimmy zu. Jimmy war jedoch schon aufgesprungen und preßte die Hände an seinen Hals. Seine Finger waren rot.
»Sie hat mich gebissen«, brüllte er. »O Gott, sie hat mich gebissen.«
Ben ging zu ihm und versuchte, ihn am Arm zu berühren, aber Jimmy stieß Ben von sich.
»Rühr mich nicht an! Ich bin unrein.«
»Jimmy –«
»Gib mir meine Tasche, Ben. Mein Gott, ich spür' es da drin. Ich spür', wie es arbeitet. Um Himmels willen, meine Tasche!«
Ben holte die Tasche und gab sie ihm. Jimmys Gesicht war totenblaß, aus der Wunde am Hals quoll Blut. Jimmy setzte sich auf den Tisch, öffnete die Tasche, nahm ein Desinfektions-mittel heraus, schüttete den Inhalt der Flasche über die Wunde, den Tisch, seine Hose. Einmal schrie er auf. Aber die Hand, mit der er die Flasche hielt, zitterte nicht.
»Jimmy, was kann ich -«
»Warte noch«, murmelte Jimmy. »Ich glaub', es wird besser.
Wart, wart -«
Er warf die Flasche weg; sie zerbrach auf dem Boden. Die Wunde war jetzt deutlich sichtbar. Ben sah nicht eine, sondern zwei Bißwunden nahe der Halsschlagader.
Jimmy zog eine Injektionsnadel und eine Ampulle aus der Tasche. Er füllte die Nadel und gab sie Ben.
»Tetanus«, sagte Jimmy. »Gib es mir. Hier.« Er streckte den Arm aus.
»Jimmy, du wirst ohnmächtig werden.«
»Nein, tu's nur.«
Ben nahm die Nadel, sah Jimmy fragend an und stieß zu.
Jimmys Körper spannte sich wie eine Stahlfeder. Dann begann er sich allmählich zu entspannen. Ben sah, daß Tränen über Jimmys schweißnasses Gesicht liefen.
»Leg mir das Kreuz um«, sagte er. »Wenn ich noch immer unrein bin, wird es ... wird es irgend etwas tun.«
»Glaubst du?«
»Ja. Als du hinter ihr her warst, sah ich auf, und ich wollte mich auf dich stürzen. Gott steh mir bei, so war es. Und ich sah dieses Kreuz und ich
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