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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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würde dort über die Steinmauer springen, in den Wald gehen und sein Lunchpaket verzehren. Aus langer Erfahrung wußte er, daß keine trauernde Familie während der dritten Station den Totengräber in seiner schmutzigen Arbeits-kleidung sehen will. Das würde das leuchtende Bild von Unsterblichkeit und himmlischen Chören, das der Pfarrer entwarf, trüben.
    Nahe der hinteren Mauer blieb Mike stehen und bückte sich, um einen Grabstein anzusehen, der vornüber gefallen war. Mike stellte ihn wieder auf und verspürte ein leises Schaudern, als er den Schmutz von der Inschrift wischte:

    HUBERT BARCLY MARSTEN
    6. Oktober 1889

    12. August 1939
    Der Engel des Todes, der die bronzene Lampe hinter dem goldenen Tor hält,
    hat dich in dunkle Gewässer geführt.

    Und darunter, beinahe ausgelöscht von sechsunddreißig Jahreszeiten des Frostes und des Taus:

    Gott gebe, daß er in Ruhe liegen möge.

    Immer noch beunruhigt und noch immer nicht wissend, warum, kehrte Mike Ryerson in den Wald zurück, setzte sich an den Bach und verzehrte seinen Lunch.
    Die Sargträger, zwei Onkel und zwei Vettern des toten Jungen, hatten den Sarg in das Grab hinuntergelassen. Marjorie Glick, in schwarzem Mantel und schwarzem Hut mit Schleier, stützte sich auf den Arm ihres Vaters; in der Hand hatte sie eine schwarze Tasche, die sie an sich gepreßt hielt, als wäre das ein Rettungsring. Tony Glick stand ein wenig von ihr entfernt. Sein Gesicht hatte einen völlig verlorenen Ausdruck.
    Callahan sprengte Weihwasser auf den Sarg und in das Grab.
    »Laßt uns beten«, sagte der Pater. Die Worte flössen voll und melodisch aus seinem Mund, wie sie es immer taten, ob Regen war, ob Sonnenschein, ob er zuviel getrunken hatte oder ob er nüchtern war. Die Trauergemeinde senkte die Köpfe.
    »Wir übergeben den Leib der Erde und empfehlen den kleinen Daniel in die Hand des himmlischen Vaters. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Herrlichkeit. Herr Jesus Christus, wir bitten dich für unseren Mitbruder Daniel. Schenke ihm Heimat bei dir, wo jeder Schmerz in Freude verwandelt wird.
    Laß Daniel deine Stimme hören. Denn du bist gut und ein Freund der Menschen. Dir gebührt Ehre und Lobpreis in Ewigkeit.«
    »Amen«, murmelte die Trauergemeinde. Tony Glick sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. Seine Frau preßte ein Taschentuch an den Mund.
    Callahan blätterte in seinem Gebetbuch. In der dritten Reihe des Halbkreises, der sich um das Grab gebildet hatte, schluchzte eine Frau heiser auf. Irgendwo sang ein Vogel.
    »Laßt uns für unseren Mitbruder Daniel zu Jesus Christus beten, der da spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.
    Herr, du hast geweint, als dein Freund Lazarus starb. Tröste uns in unserem Schmerz.«
    »Wir bitten dich, erhöre uns«, sagte die Gemeinde.
    »Du erweckst die Toten zum Leben; schenk unserem Mitbruder Daniel das ewige Leben.«
    »Wir bitten dich, erhöre uns«, antwortete die Gemeinde. Irgend etwas schien in Tony Glicks Augen zu dämmern.
    »Im Wasser und im Heiligen Geist wurdest du getauft. Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat.«
    »Wir bitten dich, erhöre uns.«
    Marjorie Glick schwankte leise wimmernd hin und her.
    »Tröste uns in unserem Schmerz über den Tod unseres Bruders, laß den Glauben unseren Trost sein und das ewige Leben unsere Hoffnung. Herr, wir bitten dich, erhöre uns.«
    Er schlug das Gebetbuch zu. »Lasset uns beten, wie der Herr uns zu beten gelehrt hat«, sagte er leise. »Vater unser, der du bist in dem Himmel -«
    »Nein!« schrie Tony Glick und stürzte nach vorn. »Niemand wird Dreck auf meinen Jungen werfen!«
    Hände griffen nach ihm, um ihn zurückzuhalten. Sie kamen zu spät. Einen Augenblick lang schwankte er am Rande des Grabes, dann rutschte der künstliche Grasteppich ab, fiel in das Loch und landete mit einem schrecklichen, schweren Aufschlag auf dem Sarg.
    »Danny, komm sofort da heraus!« brüllte Tony.
    »Oh, mein Gott«, sagte Mabel Werts und preßte ihr schwarzes Seidentuch an die Lippen. Ihre Augen wurden hell und gierig und speicherten den Vorfall, wie ein Eichhörnchen Nüsse für den Winter speichert.
    »Danny, zum Teufel, hör auf, Blödsinn zu machen!«
    Pater Callahan nickte zwei Sargträgern zu, und sie beugten sich über das Grab, aber es mußten drei weitere Männer, einschließlich Parkins Gillespie, eingreifen,

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