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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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berühre hin und wieder seinen Ärmel. Der beruhigende Ton seiner Stimme und der weiche Stoff seines Hemds haben eine tröstende Wirkung auf
mich. Ian würde sicher verstehen, daß es nie meine Absicht war, Franny zu vernachlässigen.
    Später machen wir uns fürs Bett fertig. Wir ziehen uns ohne große Zeremonie aus – schließlich sind wir längst an den nackten Körper des anderen gewöhnt – und schlüpfen in Bademäntel, bevor wir uns die Zähne putzen, sie mit Zahnseide bearbeiten, aufs Klo gehen. Ich schlage die Bettdecke zurück und ziehe meinen Bademantel aus. In der Tür des Spiegelschranks sehe ich mein Spiegelbild, meine haarlose Scham. An dem Abend, als Ian sie zum ersten Mal sah, reagierte er mißtrauisch.
    »Warum hast du dich rasiert?« fragte er in scharfem Ton und starrte mit düsterer Miene und gerunzelten Augenbrauen auf meine Lendengegend.
    Ich zögerte einen Augenblick, ehe ich antwortete: »Für dich.«
    Stirnrunzelnd ging er eine Weile im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sagen. Dann stieß er plötzlich hervor: »Triffst du dich mit einem anderen Mann?«
    »Was?«
    »Du hast mich schon verstanden. Triffst du dich mit einem anderen?«
    Ich stand da und wußte nicht, was ich sagen sollte. Ob er etwas ahnte?
    »Hast du geglaubt, ich würde nicht merken, wie selten du zu Hause bist, Nora? Wenn ich herüberkommen möchte, sagst du meistens, du hättest so viel zu tun. Wenn ich dann spätabends anrufe, bist du nicht da.«
    Ich spürte, wie die Schuldgefühle in mir hochstiegen. »Manchmal gehe ich nicht ans Telefon«, sagte ich lahm. »Wenn ich müde bin oder keine Lust zum Reden habe. Dann lasse ich den Anrufbeantworter laufen.« Zögernd legte ich die Arme um ihn. Ich spürte seine Anspannung, seinen Ärger. Er wich zurück.

    »Das ist keine Anwort auf meine Frage.« Er klang hart und bitter, voller Argwohn.
    »Du bist der einzige Mann, den ich liebe«, sagte ich wahrheitsgetreu. »Der einzige.« Aber nicht der einzige, den ich ficke, dachte ich. Ich wußte, was ich in Wirklichkeit war: eine Lügnerin.
    Ian schwieg. Schließlich fragte er: »Bist du sicher?«
    Ich nickte.
    Langsam entspannte er sich. »Tut mir leid, Nora. Ich weiß nicht, warum ich manchmal so bin. Ich will das nicht – es passiert einfach.« Er schwieg eine Weile, ehe er hinzufügte: »Nein, das ist nicht wahr. Ich weiß, warum ich so bin. Wegen Cheryl.«
    Ich wartete darauf, daß er weitersprach. Sein Gesicht wirkte auf eine Weise gequält, wie ich es nie zuvor gesehen hatte.
    Langsam sagte er: »Sie hat etwas in mir zum Vorschein gebracht, von dem ich vorher nicht wußte, daß es existiert.«
    »Dasselbe ist mir auch passiert, als Franny starb. Ich hätte nie gedacht, daß ich …«
    »Nein«, unterbrach mich Ian. »Ich spreche nicht von Cheryls Tod. Ich spreche von … der Art, wie wir miteinander umgegangen sind. Unsere Beziehung war manchmal eine Qual.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Sie hat mich angelogen. Sie hat sich mit anderen Männern getroffen. Nicht oft, aber oft genug, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Ich dachte, daß sie sich ändern würde, aber das hat sie nie getan. Das Ganze wurde so … häßlich. Bis dahin wußte ich nicht, daß ich zu so leidenschaftlicher Wut fähig bin – und das hat mich erschreckt. Ich möchte das nicht noch einmal durchmachen müssen.« Er drückte mich an sich. Sanft sagte er: »Tu mir das nicht an, Nora. Bitte nicht.«
    Da verstärkten sich meine Schuldgefühle noch, verdickten sich zu einer dichten Masse aus Gewissensbissen.
    Später an jenem Abend, nachdem ich Ian davon überzeugt
hatte, daß ich mich extra für ihn rasiert hatte, geriet er in einen Zustand höchster Erregung. Er sagte, keine seiner früheren Freundinnen habe das für ihn getan. Er konnte die Finger nicht von mir lassen, und noch Tage später hob er immer wieder meinen Rocksaum oder zog mir die Jeans herunter, um einen Blick darauf zu werfen. Inzwischen hat er sich an den Anblick gewöhnt, und als er mitbekam, wie lästig mir das ständige Rasieren ist, meinte er, ich solle das Haar doch wieder wachsen lassen. Ich erklärte ihm, daß ich es angenehm fände, keine Schambehaarung zu haben, daß es mich anmache. Eines aber sagte ich ihm nicht: daß M. darauf besteht.

22
    Ich stehe vor M.s Tür und will gerade läuten, als ich von drinnen den gedämpften Klang seines Flügels höre. Versuchsweise drehe ich am Türknauf. Es ist nicht abgeschlossen, also gehe ich hinein und ziehe die Tür

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