Brennende Fesseln
Nachmittagssonne herein, sie werden vom blitzblanken Chrom des Herdes und des Kühlschranks reflektiert. Die ganze Küche erscheint mir viel zu hell und gleißend. Sogar M.s Fröhlichkeit zerrt an meinen Nerven. Wie er so an der Küchentheke lehnt, sieht er aus, als wäre er einer Zeitschrift für Herrenmode entstiegen: Seine Frisur ist makellos, seine perfekt gebügelte Kleidung nur vom Feinsten.
»Ich habe sie abgesagt. Ich wollte den Nachmittag frei haben.«
Ich schiebe die Ärmel meiner Bluse hoch, die nach einer Nacht im Wäschetrockner völlig verknittert ist. »Wozu?«
»Ich habe für heute etwas Besonderes geplant.«
Vergeblich warte ich darauf, daß er weiterspricht. »Was ist – gedenkst du es mir heute noch zu sagen?« frage ich, allmählich ärgerlich. Er lächelt nur, aber mir kommt es eher wie ein höhnisches Grinsen vor.
»Komm mit«, sagt er und verläßt die Küche. Ich folge ihm den Gang hinunter in das hintere Schlafzimmer, das Erziehungszimmer. Im Raum brennt kein Licht, dafür sind überall Kerzen angezündet – manche dick und klobig, andere groß und dünn, ein Teil in Kerzenständern, ein Teil auf flachen Schalen. Ihr Licht flackert, und es müssen Duftkerzen darunter sein, denn ich rieche die schwache, würzig-süße Note von Muskatnuß.
Ich sehe mich um. Das Ledergeschirr in der Ecke kenne ich schon, ebenso die Hebevorrichtung und die Haken an der Decke. Aber inzwischen ist an die gegenüberliegende Wand noch ein Bett geschoben worden, und in der Mitte des Raumes steht eine Art gepolsterte Bank. Ein schweres Paar Handschellen baumelt von einer Wand – so weit voneinander entfernt, daß man sie mit ausgestreckten Armen gerade noch erreichen kann –, und am Boden sind dicke Fußeisen festgeschraubt. An der Südwand ist – mit Haken befestigt – M.s Sammlung von Peitschen, Gürteln und Schlägern drapiert. Das Zentrum des Arrangements bildet das stählerne Entermesser, das M.s Vater im Zweiten Weltkrieg benutzt hat.
Ich zucke zusammen, als ich M.s Hand im Nacken spüre. »Ich möchte gehen«, sage ich.
»Noch nicht. Erst werde ich dich ficken.«
»In deinem Zimmer«, entgegne ich.
Er hält mich am Arm fest. »Nein – hier.«
Ich blicke zu ihm auf und sehe die Entschlossenheit in seinen Augen. Wir werden in diesem Raum ficken. Er knöpft
meine Bluse auf und schiebt sie mir über die Schultern. Dann zieht er mir Jeans und Unterwäsche aus. Ich entdecke den Fernseher mit Videorecorder und daneben eine hohe Truhe mit Schubladen. In der Ecke steht ein Camcorder auf einem Stativ. Mein Blick wandert zurück zu den Fußeisen am Boden.
»Aber das ist alles, was ich tun möchte«, sage ich. »Nur ficken.«
M. sieht, wie ich auf die Fußeisen starre, und lächelt. »Du kannst mir vertrauen, Nora. Das weißt du doch.«
»Nur ficken«, wiederhole ich.
»Okay«, antwortet M. und führt mich zum Bett. Ich lege mich hin, spüre die weichen Laken. Ich starre auf die Kerzen. Die Schatten der Flammen zucken in immer neuen Mustern über die schwarzen Wände. In einer anderen Umgebung wären die Kerzen romantisch, hier wirken sie nur gespenstisch, auf eine mittelalterliche Weise bedrohlich. In diesem Raum ist die Gefahr spürbar präsent.
M. setzt sich aufs Bett. Er trägt ein dunkelblaues Hemd. Die Farbe steht ihm. Sie läßt ihn sexy aussehen. Er beugt sich über mich und küßt mich lange und erotisch. Dann läßt er seine Hand an meinem Körper heruntergleiten. Ich rieche den schwachen, würzigen Duft seines Rasierwassers, und ich erwidere seinen Kuß, berühre sein Haar, spüre seine Weichheit, ziehe ihn näher zu mir herunter. Er schiebt meine Arme weg und legte sie über meinen Kopf.
»Laß sie so liegen«, sagt er. »Faß mich nicht an.« Er beugt sich über mich, um mich erneut zu küssen. Ich spüre das Drängen seiner Zunge, seiner Brust, die sich an meiner reibt, und empfinde heftiges Verlangen nach ihm. Seine Hände wandern über meinen ganzen Körper, über meine Oberschenkel, über meine Brüste, dann an meinen Armen entlang.
Er flüstert: »Ich habe über das Gespräch nachgedacht, das wir letzte Woche hatten – als du gesagt hast, daß du dich nie von mir fesseln lassen würdest.« Er schweigt einen Moment
und fügt dann hinzu: »Ich habe beschlossen, dir so etwas nicht mehr durchgehen zu lassen.«
Ich blicke zu ihm auf, spüre, wie die Angst in mir hochkriecht. »Es ist nicht an dir, diese Entscheidung zu treffen«, sage ich.
»O doch, Nora, die Entscheidung
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