Brennende Fesseln
hatten.
»Wir sind sehr verschieden«, fuhr er fort. »Es ist Zeit, daß du dir jemand anderen suchst. Du gehörst nicht zu mir.«
Franny spürte die Panik in sich aufsteigen. »Doch, ich gehöre zu dir«, widersprach sie.
Michael sah sie bloß an, ohne ein Wort zu sagen. Unverhülltes Mitleid stand ihm ins Gesicht geschrieben – das dunkle, attraktive, kantige Gesicht, das sie inzwischen so liebte. Aber jetzt sah das Gesicht anders aus, schärfer gezeichnet, die Falten traten stärker hervor, die Furche auf seiner Stirn schien tiefer, und sein Kinn wirkte angespannt – es war, als hätte seine Entscheidung nicht nur seine Gefühle, sondern auch sein Gesicht verhärtet. Am liebsten hätte sie sich zu ihm hinübergebeugt und ihn geküßt, seine Augen, seine Wangen, seine zerfurchte Stirn, ihn so lange geküßt, bis er seine Züge entspannt und seine Worte zurückgenommen hätte. Doch das würde nicht funktionieren. Er würde sie wegschieben.
»Doch, ich gehöre zu dir«, wiederholte sie, aber Michael starrte sie nur an, bereits etwas ungeduldig, wie es schien, denn seine Lippen sahen aus, als hätte er etwas Ekliges verschluckt.
»Ich weiß, daß wir verschieden sind«, fügte sie hinzu. »Aber ich habe mich verändert. Und ich kann mich weiter verändern.« Sie wußte, daß sie sich verzweifelt anhörte. Sie war verzweifelt.
Er strich ihr leicht mit dem Handrücken über die Wange. »Nein«, antwortete er ruhig. »Ich werde meine Meinung nicht ändern, egal, was du sagst. Unsere gemeinsame Zeit ist vorbei.«
»Sie braucht nicht vorbei zu sein.«
»Für mich ist sie vorbei, Franny.« Er sagte das mit einer so kalten Endgültigkeit, daß sie wußte, daß jeder Versuch, ihn umzustimmen, aussichtslos war.
Sie versuchte, die Verzweiflung aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Warum?« fragte sie.
Michael zuckte mit den Achseln. »Warum passiert etwas? Manchmal kommt es einfach so.«
Franny spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Ihre Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Sie dachte an all die Dinge, die sie für ihn getan hatte. Und jetzt eröffnete er ihr, daß das alles umsonst gewesen sei.
»Nenn mir den Grund«, sagte sie. »Ich will die Wahrheit hören. Hast du mich nie geliebt? Hast du nie irgend etwas für mich empfunden?«
»Franny, das hat doch keinen Sinn.«
»Sag es mir. Ich will die Wahrheit hören.«
Seufzend lehnte er sich zurück. »Glaub mir, du willst die Wahrheit nicht hören, Franny. Du willst hören, daß ich einen großen Fehler gemacht habe, daß ich dich liebe und schon immer geliebt habe. Du willst, daß ich dich um Verzeihung bitte.«
Sie strich sich mit der Handfläche übers Gesicht, um die Tränen wegzuwischen. »Nein«, entgegnete sie. »Sag mir einfach die Wahrheit. Sag mir, was ich für dich war.«
»Du solltest nicht …«
»Sag’s mir!«
Michael schwieg eine Weile, dann antwortete er: »Ich mag dich, aber das ist alles. Wir haben nichts gemein. Die Wahrheit ist – ich weiß, daß du das nicht hören willst, und es ist auch nicht sehr nobel von mir –, aber die Wahrheit ist, daß ich dich in mein Leben geholt habe, um meinen Spaß zu haben.«
»Das meinst du doch nicht ernst!« Franny biß auf ihrer Unterlippe herum. »Das meinst du doch nicht ernst!« wiederholte sie.
»Du solltest froh sein, aus der Sache rauszukommen, Franny. Du hast doch jede Minute davon gehaßt. Du hast alles gehaßt, was ich dich tun ließ. Du solltest mir dankbar sein, daß ich dem Ganzen ein Ende setze.«
»Dankbar?« sagte sie und brach in ein Lachen aus, das gleich darauf in ersticktes Schluchzen umschlug. »Ich soll dir dankbar sein? Wie kannst du so etwas sagen?«
»Ich kann es sagen, weil es die Wahrheit ist. Ich tue dir einen Gefallen. Du kannst jemanden wie mich in deinem Leben nicht gebrauchen. Ich mache dich unglücklich, und das weißt du. Du warst jedesmal erledigt, wenn du hier bei mir warst.«
Er lehnte sich vor und nahm wieder ihre Hand, streichelte sie sanft. Sie bemerkte es kaum. Sie hatte das Gefühl zu träumen. Ihr Körper fühlte sich taub und empfindungslos an.
»Es würde bloß immer schlimmer werden, Franny. Glaub mir, ich würde dir das Leben noch mehr zur Hölle machen.«
Sie schüttelte den Kopf, versuchte, ihrer Traumwelt zu entrinnen. Seine Worte schienen von weit her zu kommen. »Das kannst du nicht machen«, sagte sie. »Ich brauche dich. Ich habe so vieles für dich getan. Du kannst nicht… du kannst doch nicht einfach …«
Michael
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