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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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kannst, mir gegenüber mit Informationen sehr zurückhaltend.«
    Eine Bedienung bleibt an unserem Tisch stehen und schenkt mir Kaffee nach. Als sie wieder gegangen ist, sagt M.: »Gib mir diese Informationen, und ich erzähle dir von meinem letzten Kontakt mit deiner Schwester. Es ist wichtig, Nora. Vielleicht kann ich dir helfen, Frannys Mörder zu finden.«
    Ich schiebe meine Suppentasse weg. Ich weiß nicht, was für ein Spiel er jetzt spielt, was dieses unschuldige Getue soll. Er kennt die Umstände ihres Todes sehr genau.
    Schweigend warten wir, bis die Bedienung unsere leeren Teller weggeräumt hat. Sie fragt, ob wir als Nachspeise ein Stück
Kuchen möchten, und als keiner von uns antwortet, geht sie, peinlich berührt von unserem Schweigen.
    M. sagt: »Du hast nichts zu verlieren. Wenn ich Franny getötet habe, sind die Informationen für mich wertlos – weil ich weiß, wie sie gestorben ist. Wenn ich sie aber nicht getötet habe, kann ich dir vielleicht helfen. Ich muß wissen, wie sie gestorben ist.«
    Ich denke über seine Worte nach. »Und du erzählst mir von deinem letzten Kontakt mit Franny, kurz vor ihrem Tod?«
    »Ja.«
    Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Gerade weil er auf diese Informationen so scharf ist, widerstrebt es mir, damit herauszurücken. »Also gut«, sage ich, beschließe aber, ihm nicht viel zu verraten. »Was in den Zeitungen stand, stimmt – sie wissen nicht, woran genau sie gestorben ist. Auf dem Totenschein steht: ›Todesursache unklar‹.«
    »Und der Rest?« M. beugt sich vor, hängt gebannt an meinen Lippen.
    Ich zucke die Achseln. »Den Rest weiß ich nicht. Als sie sie gefunden haben, war sie nackt und gefesselt. Mehr hat mir die Polizei auch nicht gesagt.« Ich verrate ihm nicht, daß ich weiß, daß sie mit Klebeband gefesselt war. Und daß ihre ganze Brust und ihr Bauch Schnittwunden aufwiesen. Keine tiefen Verletzungen, sondern oberflächliche Schnitte. Zeichen. Muster. Eine Art Kunstwerk, dessen Fertigstellung ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen haben mußte. Eines der Zeichen war ein durchgestrichener Kreis – das weltweite Zeichen für Nein, das mathematische Symbol für eine Leermenge, als wollte der Mörder ihre Existenz verneinen. Ich erzähle ihm auch nicht, daß sie geknebelt war, damit die Nachbarn ihre Schreie nicht hören konnten. »Die Autopsie hat nichts ergeben«, sage ich. »Sie wissen nicht, was sie getötet hat.«
    Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, ohne ein Wort zu sagen. Ich schweige ebenfalls.

    Bemüht, den Sarkasmus aus meiner Stimme herauszuhalten, frage ich ihn schließlich: »Was meinst du? Werden dir diese Informationen helfen, Frannys Mörder zu finden?«
    M. schüttelt den Kopf. »Ich weiß es noch nicht«, antwortet er. »Aber ich habe da eine Idee.«
    Ich sage: »Jetzt bist du an der Reihe. Erzähl mir von deinem letzten Kontakt mit meiner Schwester.«
    Er gibt der Bedienung ein Zeichen, daß er noch Kaffee möchte. Nachdem sie ihm nachgeschenkt hat, beginnt er zu erzählen. Ich höre aufmerksam zu. Wenn ich nach Hause komme, muß ich das alles sofort aufschreiben.

DRITTER TEIL
FRANNY

28
    Franny verabreichte einem neunundfünfzigjährigen Dialysepatienten Heparin, ein Antithrombosemittel, und ging dann hinüber zur Überwachungsstation, um sich seine Laborwerte anzusehen. Sie wollte ihn im Auge behalten. Der Patient, Mr. Cole, hatte extrem niedrigen Blutdruck, und letzte Woche war sein Shunt mit einem Blutpfropfen verstopft gewesen, als sie mit der Behandlung beginnen wollte. Sie hatte ihn ins Krankenhaus schicken müssen, wo ein Arzt den Blutpfropfen entfernte. Sie hatten ihn über Nacht dabehalten und die Dialyse dort durchgeführt.
    Die Klinik war heute voll besetzt, deswegen arbeitete sie auf Station: Sie verteilte Medikamente, wertete Laborergebnisse aus, begleitete den Arzt bei der Visite und stellte sicher, daß seine Anordnungen befolgt wurden. Diese Woche war recht gut gelaufen. Abgesehen von Mr. Cole, hatte es keine Probleme gegeben. Alle Patienten kamen dreimal die Woche zur zwei- bis vierstündigen Dialyse und waren die Prozedur längst gewöhnt. Im Moment lasen oder schliefen die meisten von ihnen. Einige starrten auf die Fernseher, die über ihren Ruhesesseln an der Decke angebracht waren. Der Raum wirkte heute heller, die pastellfarben gestrichenen Wände fröhlicher – wahrscheinlich lag es am Frühling. Der blaue Himmel hatte einen neuen Glanz angenommen, ein wundervolles Leuchten, als wäre er frisch

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