Brennende Fesseln
heruntergezerrt hatte, versuchte sie durch Drehen und Dehnen, ihren Körper in dem Kleidungsstück unterzubringen. Sie haßte Rot. Die Farbe ließ ihre helle Haut noch bleicher aussehen, als sie ohnehin schon war. Sie drehte sich um und betrachtete sich in dem großen Spiegel: ein lächerlicher Anblick. Die Korsage schnürte ihren Körper viel zu sehr ein, so daß an den Rändern weiße Hautfalten hervorquollen. Es war ein sliploses Wäschestück, das Michael für sie gekauft hatte, viel zu knapp und offenherzig für sie. Es war eigentlich für einen wesentlich schlankeren Körper gedacht, für den Körper eines Showgirls. Ihre Brüste, die durch den Bügel-BH eingezwängt und hochgeschoben wurden, quollen aus Platzmangel über. Sie versuchte, sie mit Gewalt hineinzudrücken und die Korsage weiter hochzuziehen, aber je höher sie sie zog, desto mehr enthüllte sie von ihrer Scham. Der Stoff reichte nicht aus, um alles zu bedecken. Sie gab auf und zerrte die Korsage wieder nach unten. Es war eine vierteilige Garnitur: Korsage, G-String, Nylonstrümpfe und ein kurzer Morgenrock aus Satin, alles in knalligem Feuerwehrrot. Michael, der im Wohnzimmer auf sie wartete, hatte ihr die strikte Anweisung erteilt, weder den G-String noch den Morgenrock anzuziehen.
Gegen die Ablage des Waschbeckens gelehnt, streifte Franny die Strümpfe über und befestigte sie an den Strumpfhaltern. Sie zwängte ihre Füße in enge, ebenfalls rote Schuhe mit endlos hohen Pfennigabsätzen und stolperte zum Spiegel hinüber. Sie drehte sich so, daß sie sich von hinten sehen konnte, und stöhnte entsetzt. Was sie sah, gefiel ihr überhaupt
nicht. Die Haut an ihren fleischigen Pobacken hatte Dellen, und ihre Oberschenkel waren unansehnlich dick. Sie drehte sich wieder nach vorn. Die Korsage endete knapp unterhalb ihres Bauches und ließ den Schambereich frei, den sie nach Michaels Anweisungen rasiert hatte, ein Dreieck aus gereizter Haut. Instinktiv hielt sie die Hand davor. Ohne Behaarung wirkte ihre Scham vulgär und obszön, und sie fühlte sich völlig entblößt. Sie hätte die Haare gern nachwachsen lassen, um sich dahinter verstecken zu können, aber Michael ließ sie nicht.
Als sie die Hand wegzog und wieder in den Spiegel sah, fand sie den Anblick immer noch peinlich. Sie griff nach dem Satinmorgenrock und zog ihn an. Selbst wenn sie ihn nicht zuband, wirkte sie schlanker darin, weil er ihre Oberschenkel und Pobacken bedeckte. Sie beschloß, den Morgenrock anzulassen, obwohl Michael es ihr ausdrücklich verboten hatte. Wenn er sah, daß sie damit besser aussah, auf jeden Fall sinnlicher, würde er vielleicht erlauben, daß sie ihn anbehielt. Sie zog die Vorhänge zurück und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Himmel war dunkel und trüb, und es regnete in Strömen. Das Gras wirkte grau, und überall dort, wo der Boden uneben war, sammelte sich das Wasser.
Sie wollte das Bad schon verlassen, da fiel ihr der Lippenstift ein. Er wollte, daß sie sich die Lippen knallrot schminkte. Sie trug den Lippenstift sorgfältig auf, tupfte sich den Mund mit einem Papiertuch ab und kicherte. Sie saugte die Wangen ein und verdrehte die Augen. Was für ein lächerlicher Anblick. Schulterzuckend fragte sie sich, wieso die Männer so auf roten Lippenstift abfuhren. Das sah doch nur unnatürlich aus, unecht. Und absolut lächerlich.
Langsam und unsicher stakste sie auf ihren Pfennigabsätzen durchs Haus, bemüht, sich in ihrer roten, sliplosen Korsage nicht wie eine Prostituierte zu fühlen. Michael saß im Wohnzimmer auf der Couch und blätterte in einer Zeitschrift. Vor
der Tür blieb sie stehen und beobachtete ihn. Er trug eine graue Hose und ein schwarzes Hemd, irgend etwas Weiches, Seidiges, das am Kragen offen war und sehr sexy aussah. Sie spürte die schwere Hitze des Verlangens, den Schmerz einer Leidenschaft, die ihr zu viele Jahre verwehrt gewesen war. Jedesmal, wenn sie ihn sah – dunkel, attraktiv, sportlich –, stieg ein Gefühl des Stolzes in ihr auf. Selbst jetzt noch, nach dieser langen Zeit, fiel es ihr schwer zu glauben, daß er ausgerechnet sie auserwählt hatte, und sie fühlte sich in seiner Gegenwart wie ein Glückskind, als wäre er ein Geschenk, das sie gar nicht verdient hatte.
Er blätterte um. Seine Finger waren lang und wohlgeformt, zu den Spitzen hin schmal zulaufend. Es waren die feinen Hände eines Pianisten. Als sie den Raum betrat, blickte er auf. Eine Spur von Unmut huschte über sein Gesicht. Sie glaubte schon,
Weitere Kostenlose Bücher