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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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Anrufbeantworter, eine aufgeschlagene Zeitung auf dem Tisch. Anhand all dieser Informationen war es möglich gewesen, den Zeitpunkt ihres Todes bis auf ein paar Stunden genau festzulegen. M. behauptete, während der fraglichen Zeit allein zu Hause gewesen zu sein. Er hatte kein Alibi.
    Plötzlich geht er mir mit seinem unbeteiligten Getue schrecklich auf die Nerven. Ich verachte diesen Mann mehr, als ich ihn fürchte. »Warum haben Sie mich überhaupt zum Essen eingeladen?« frage ich ihn. »Wenn Sie schon wußten, wer ich bin, warum haben Sie es dann nicht gesagt?«
    »Sie haben mit dieser Farce angefangen, nicht ich. Ich habe bloß mitgespielt.« Er fügt das Dressing hinzu und mischt den Salat durch. Nach ein paar Sekunden sagt er: »Wahrscheinlich
habe ich es getan, um meinen Spaß zu haben. Aus demselben Grund, aus dem ich etwas mit Franny angefangen habe« – er sieht zu mir herüber und zieht entschuldigend die Schultern hoch –, »um meinen Spaß zu haben.«
    Als er ihren Namen erwähnt, zucke ich zusammen. Er spricht von ihr, als wäre sie völlig bedeutungslos. Er bemerkt meinen Blick.
    »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich lügen würde?« fragte er. »Was wollen Sie hören? Daß sie mir mehr bedeutet hat, als es in Wirklichkeit der Fall war?«
    Ich antworte nicht.
    Er seufzt geduldig. »Es ist nun fast ein Jahr her, daß sie gestorben ist. Erwarten Sie von mir, daß ich immer noch um sie trauere? Das Leben geht weiter.«
    »Wenn Sie sie getötet haben«, sage ich, »werde ich es herausfinden.«
    »Wie wollen Sie das anstellen?« fragt er. »Haben Sie geglaubt, Sie könnten einfach hierherkommen und mich zur Strecke bringen? Glauben Sie allen Ernstes, daß Sie mir gewachsen sind?« Er schüttelt den Kopf. »Ich habe von Ihnen nichts zu befürchten.«
    Als ich schweige, legt er das Salatbesteck weg und redet weiter.
    »Der Tod Ihrer Schwester war tragisch, aber ich bin nicht dafür verantwortlich. Ich hatte damit nichts zu tun.«
    »Davon bin ich noch nicht überzeugt.«
    Er schweigt. Unter dem Deckel des Spargeltopfs zischt Dampf hervor. Er streckt die Hand aus und dreht die Temperatur zurück.
    »Ich werde Ihnen sagen, was ich glaube«, sagt er schließlich. »Sie suchen bloß nach einem Schuldigen. Sie wollen Franny rächen. Das ist verständlich – es liegt in der menschlichen Natur. Aber ich glaube, daß Sie noch etwas anderes wollen, etwas, das nur ich Ihnen geben kann: Antworten. Das ist
der wahre Grund, warum Sie hier sind. Ich habe in den fünf Monaten, die ich mit Ihrer Schwester zusammen war, mehr über sie erfahren als Sie in einem ganzen Leben. Sie haben sie wie ein flüchtige Bekannte behandelt. Sie haben sie überhaupt nicht gekannt, und jetzt fühlen Sie sich schuldig und werden von Gewissensbissen geplagt. Sie sind hier, um etwas wiedergutzumachen.«
    »Das ist nicht wahr«, sage ich. »Sie haben doch gar keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    »Nein? Dann sagen Sie es mir – warum sind Sie hier?«
    Einen Moment lang bin ich verwirrt. Dann schüttele ich angewidert den Kopf. »Sie stellen die Dinge auf den Kopf«, sage ich. »Es gibt nichts, weswegen ich mich schuldig fühlen müßte. Ich bin nicht diejenige, die sie schlecht behandelt hat. Nicht ich habe ›Frannys File‹ zu einem Tagebuch gemacht, das sich liest, als stamme es aus einer Abhandlung zum Thema Sadismus.« Ich sehe auf meine Hände hinunter und merke, daß ich sie zu Fäusten geballt habe. Ich entspanne mich. »Aber Sie haben recht – ich bin hier, weil ich Antworten will. Ich bin gekommen, um die Leerstellen zu füllen. Um mehr über Sie zu erfahren. Um herauszufinden, ob Sie Franny getötet haben.«
    M. schweigt eine Weile, dann sagt er: »Sie wissen ja gar nicht, worauf Sie sich da einlassen.«
    »Das Risiko gehe ich ein.«
    Er fixiert mich, ohne zu blinzeln. »Also gut«, sagt er. »Wenn Sie unbedingt wollen, werden wir Ihr Spiel spielen. Aber vorher möchte ich Ihnen einen Gefallen tun und Sie noch einmal warnen: Die Antworten, die ich Ihnen geben werde, werden Ihnen nicht gefallen. Es wäre besser für Sie, Sie würden jetzt nach Hause fahren, Ihr Leben weiterleben und mich schleunigst vergessen.«
    Ich schweige.
    Er wartet, läßt mir Zeit, es mir doch noch anders zu überlegen. Ich beschließe, seine Warnung zu ignorieren.

    »Wie Sie wollen«, sagt er schließlich. »Ich habe Franny nicht umgebracht, aber ich kann die Leerstellen füllen, die Sie sehen. Ich kann Ihnen zeigen, wer Ihre Schwester war.« Zögernd

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