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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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Zähne ertragen.« Er lacht leise. »Aber sie war immer gewillt, mir Freude zu bereiten, und sie lernte schnell. Nachdem ich ihr einmal beigebracht hatte, was sie zu tun hatte, war sie ausgezeichnet. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, daß sie ein besonderes Talent dafür besaß. Allerding hatte der Anreiz, den ich ihr bot, wohl auch etwas mit ihrer Bereitschaft zu tun. Sie lernte ziemlich schnell, daß es Folgen hatte, wenn es ihr nicht gelang, mich zufriedenzustellen, und daß diese Folgen weit schlimmer waren als jeder Widerwille, den sie vielleicht empfand.«
    Ich unterdrücke meine Wut, halte seine kalten Worte auf Distanz. Er will, daß ich zu heulen anfange, vor Wut explodiere oder mich schuldig fühle. Seine Taktik ist leicht zu durchschauen, und ich bin froh, daß wir joggen. Die körperliche Anstrengung hilft mir, einen Teil meiner Wut abzureagieren. Er kann nicht sehen, welche Wirkung seine Worte auf mich haben.

    »Was waren das für Folgen?« frage ich.
    »Keine so schlimmen, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen. Vergessen Sie nicht, daß sie in mich verliebt war. Sie wollte mir ja gefallen.«
    Ich muß an ihr Tagebuch denken, daran, wie er sie mit gespreizten Beinen am Eßzimmerstuhl festband, um sie für einen kleinen Verstoß zu bestrafen – dafür, daß sie einen roten Morgenrock aus Satin getragen hatte.
    »Was für Folgen?« wiederhole ich, aber er ignoriert meine Frage. Wir erreichen eine alte Betonbrücke und drehen um. Ein blauer Lieferwagen mit einer Holzlatte rund um die Ladefläche rattert vorbei. Es ist das erste Auto, das uns begegnet.
    »Das reicht für heute«, sagt er. »Erzählen Sie mir doch ein bißchen was über sich selbst!«
    Ich seufze entnervt. Das Trommeln meiner Reeboks, rhythmisch wie das Klopfen eines Herzens, betont die Stille noch zusätzlich. Keiner von uns sagt ein Wort. Asphaltbrocken und kleine Erdklumpen knirschen und bröseln unter meinen Schuhen. Rameau trottet hinter M. her. Er weicht nie von seiner Seite.
    »Was wollen Sie hören?« frage ich schließlich.
    »Jeder hat ein Geheimnis, Nora. Jeder hat ungelöste Probleme, Schwierigkeiten, mit denen er nicht klarkommt. Franny war wohl der Meinung, Sie hätten keine, aber das glaube ich nicht. Ich will sie wissen.«
    Unwillig zucke ich mit den Achseln. Ich habe nicht vor, mit diesem Mann irgendwelche Geheimnisse zu teilen. Ich finde seine Fragen indiskret und seine Art entnervend. Bei dem Abendessen vor ein paar Tagen wollte er bis ins kleinste Detail wissen, wie mein Leben seit Frannys Tod verlaufen ist – unbezahlter Urlaub beim Bee, Umzug nach Davis, ein neuer Freund, gelegentlich ein Job auf freiberuflicher Basis. Was für ein Leben ich vor ihrem Tod geführt habe, wußte er angeblich schon aus den Erzählungen meiner Schwester. Was kann er
sonst noch wissen wollen? Eine lange weiße Limousine mit angetrockneten Schlammspritzern an der Seite braust an uns vorbei.
    »Sprechen Sie mit mir«, sagt er.
    Ich schweige weiter, gar nicht glücklich über die Richtung, die unser Gespräch nimmt. Wir kommen an einer Reihe von Bäumen vorbei, die den Straßenrand säumen – es sind alte Bäume, die wegen einer zurückliegenden Krankheit oder Schädlingsbefall asymmetrisch gewachsen sind, vielleicht war auch eine Naturgewalt daran schuld, Sturm oder Blitzschlag. In der grauen Dämmerung wirken sie mit ihren verwitterten, knorrig aussehenden Stämmen wie gespenstische Skelette.
    »Erzählen Sie mir von den Männern in Ihrem Leben«, ermuntert er mich. »Von Franny weiß ich, daß Sie Ihre Freunde ziemlich auf Distanz hielten. Daß Sie schon viele Männer hatten, es aber mit keinem ernst meinten. Franny fand das keineswegs ungewöhnlich – sie hielt Sie für stark, mutig und viel zu unabhängig, um sich in irgendeiner Hinsicht auf einen Mann zu verlassen. Sie hat Sie um Ihre vielen Freunde beneidet  – sie selbst wollte auch einen haben –, und obwohl sie mit Ihrer lockeren Philosophie in bezug auf Männer nicht einverstanden war, fand sie nichts Ungewöhnliches daran.« Er dreht sich zu mir um und grinst süffisant. »Für Franny waren Sie eine Feministin, eine Wegbereiterin, eine unabhängige Seele«, sagt er spöttisch. »Sie hat Sie deswegen sehr bewundert.«
    Ein paar Meter lang schweigt er, dann sagt er: »Franny war nicht gerade eine Frau mit Durchblick. Ich glaube, ihre Bewunderung war fehl am Platz. Ich glaube, daß es einen anderen Grund für Ihre selbstauferlegte Unnahbarkeit gibt, etwas, das ihr

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