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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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und weiter? Ich will wissen, was sie in ihrem Tagebuch alles verschwiegen hat.«
    »Sie werden es erfahren«, sagt M. »Sie werden mehr erfahren, als Ihnen lieb sein dürfte.«
    Er wendet sich zum Gehen, aber ich packe ihn am Arm. »Jetzt«, sage ich. »Ich will jetzt sofort etwas erfahren.«
    M. schiebt meine Hand weg. Kurz angebunden sagt er: »Nicht Neugier hat der Katze das Leben gekostet, sondern Starrsinn. Eine Lektion, die Franny nie gelernt hat. Sie sollten sie lernen, bevor es zu spät ist.«
    Ich halte den Atem an. War das der Grund, aus dem er sie umgebracht hat? Ihr Starrsinn in einer bestimmten Sache? Aber in welcher Sache? Eine eisige Welle der Angst läuft durch meinen Körper. »Was soll das heißen?« frage ich.
    M. lächelt nur. Dann lassen er und Rameau mich einfach stehen und laufen die Montgomery hinauf.

10
    An der nordöstlichen Ecke von Eighth Street und Pole Line Road, hinter einer hohen, dichten Mauer aus dunkelgrünen Büschen, liegt der Friedhof von Davis. Er ist versteckt, als
wäre er ein Familiengeheimnis, etwas, das niemand sehen darf.
    Ich fahre durch das Tor an der Eighth Street und folge dem kurvigen Asphaltweg bis zu Frannys Grab. Der Weg ist erst kürzlich ausgebessert worden, der Belag ist kohlschwarz. Dies ist keiner von den alten, heruntergekommenen Friedhöfen mit zerborstenen Grabsteinen, kahlen, steinigen Gehwegen und ungepflegten Gräbern, nebeneinandergepfercht wie Reihenhäuser in einer dichtbesiedelten, billigen Wohngegend. Hier ist das ganze Gelände von einem sauber gemähten Rasen bedeckt, der auf dem leicht gewellten Boden wie eine sanft im Wind wehende Decke aussieht, und zwischen den Gräbern stehen einzelne schattenspendende Bäume.
    Ich parke in der Nähe von Frannys Grab, das im neueren Teil des Friedhofs liegt, und steige aus dem Wagen. Es ist Samstag morgen, ich komme gerade aus meiner Jazzgymnastikstunde und trage noch meine Trainingssachen – ein rotes Trikot, schwarze, wadenlange Leggings und ein Sweatshirt mit Reißverschluß und Kapuze. Der Himmel ist blau und makellos, ein typisch spätwinterlicher, kalter Morgenhimmel. Die Luft ist so eisig, daß sie in alle Poren dringt und einem sofort eine Gänsehaut verursacht. Ich gehe quer über den Rasen, vorbei an Grabsteinen aus Granit und Marmor. Frisch gemähte Grashalme bleiben an meinen Tennisschuhen kleben. Ein paar Elstern mit glänzend schwarzen Federn und schneeweißem Bauch hüpfen auf der Suche nach Insekten auf dem Rasen herum, ohne sich durch meine Anwesenheit stören zu lassen. Außer mir ist noch niemand hier.
    Ich bleibe vor Frannys Grabstein stehen, einer einfachen, in den Boden eingelassenen Steinplatte. Meine Eltern und Billy liegen zu ihrer Rechten, und links von ihr ist ein freier Platz. Nachdem meine Eltern gestorben waren, erfuhr ich zu meiner Überraschung, daß mein Vater ein Familiengrab für fünf Personen gekauft hatte. Was hatte ihn dazu bewogen, auch für
meinen Bruder, Franny und mich Plätze vorzusehen? Ist es ihm nie in den Sinn gekommen, daß wir heiraten und wegziehen könnten und es dann vielleicht vorziehen würden, neben unseren Partnern begraben zu werden, höchstwahrscheinlich in einer anderen Stadt oder sogar einem anderen Bundesstaat? Manchmal mache ich mich über seine Entscheidung lustig – vielleicht war gerade Ausverkauf, und es gab zwei Plätze für den Preis von einem. Dann wieder stimmt mich seine Voraussicht nachdenklich. Ich sehe das leere Grab und frage mich, ob ich bald wie Franny und Billy hier liegen werde, ohne Zukunft; unsere Familie wäre vollzählig, aber ohne Erben, die unseren Fortbestand sichern könnten.
    Ich schließe die Augen. Der Geruch des Winters hängt noch in der Luft, dazu der grüne Geruch nassen Grases, den der gestrige Regen hinterlassen hat, und der beharrliche Aschegeruch eines erloschenen Kaminfeuers. Ich muß daran denken, was M. gesagt hat. Nicht Neugier hat der Katze das Leben gekostet, sondern Starrsinn. Eine Lektion, die Franny nie gelernt hat. Was kann sie so Starrsinniges getan haben, daß er sie deswegen umbrachte? Er hat sich seitdem nicht dazu bewegen lassen, sich noch einmal zu diesem Thema zu äußern. Ich habe die Polizei über das informiert, was er gesagt hat – daß er praktisch zugegeben hat, sie getötet zu haben –, aber man hat mich darüber aufgeklärt, daß das nur Gerede sei. Ohne konkrete Beweise könnten sie M. nichts anhaben.
    Als ich die Augen wieder aufmache und auf Frannys Grab starre, wird mir

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