Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
Museen bereits Mumien gesehen, ohne auch nur eine flüchtige Wirkung zu verspüren. Doch diese spezielle Mumie hatte etwas an sich, von dem sie sich, um es vereinfacht auszudrücken, abgestoßen fühlte.
Lady Maccon neigte nicht zu Anfällen von Gefühlsduselei, deshalb glaubte sie nicht, dass ihre Reaktion emotionaler Natur war. Nein, sie wurde sprichwörtlich abgestoßen , im wissenschaftlichen Sinne des Wortes. Es war so, als hätten sie und die Mumie beide eine Art Magnetfeld von derselben Polung.
Das Auswickeln der Mumie dauerte außergewöhnlich lange. Alexia hätte nicht gedacht, dass sie in so schrecklich viele Bandagen gehüllt war. Außerdem legten sie immer wieder Pausen ein. Jedes Mal, wenn ein Amulett freigelegt wurde, kam die ganze Prozedur zum Stillstand, und die Zuschauer hielten begeistert den Atem an. Während die Mumie mehr und mehr enthüllt wurde, ertappte sich Alexia dabei, dass sie instinktiv immer weiter zurück zur Tür des Raumes wich, bis sie sich hinter all den anderen befand und sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um überhaupt noch etwas sehen zu können.
Da sie seelenlos war, hatte Alexia nie viele Gedanken an den Tod verschwendet. Schließlich bedeutete der für Außernatürliche wie sie das Ende – es gab für sie nichts, was sie danach erwartete. In den Gewölben von BUR für besondere Dokumente gab es ein Schriftstück aus der Zeit der Inquisition, in dem bedauert wurde, dass Außernatürliche, die letzte Waffe gegen die übernatürliche Bedrohung, die einzigen Menschen waren, für die es keine Erlösung gab. Doch Alexia stand ihrer eigenen Sterblichkeit eher gleichgültig gegenüber. Das war das Ergebnis einer angeborenen Sachlichkeit, die sie ebenfalls ihrer Seelenlosigkeit verdankte. Doch diese Mumie hatte etwas an sich, das sie bekümmerte: dieses arme, traurige, runzlige Ding.
Schließlich arbeiteten sie sich bis zu ihrem Kopf vor und enthüllten einen perfekt erhaltenen Schädel mit dunkelbrauner Haut, an dem sogar noch einige Haare hingen. Talismane wurden aus Ohren, Nase, Kehle und Augen entfernt, sodass man in die leeren Augenhöhlen und den leicht offen stehenden Mund blicken konnte. Einige Skarabäen krabbelten aus den freigelegten Öffnungen, fielen zu Boden und krabbelten dort herum. Woraufhin sowohl Felicity als auch Ivy, die bis zu diesem Augenblick nur verhalten hysterisch gewesen waren, in Ohnmacht fielen.
Tunstell fing Miss Hisselpenny auf, drückte sie fest an seine Brust und murmelte voll des Kummers ihren Vornamen. Lachlan fing Miss Loontwill auf, doch ging er dabei nicht annähernd so liebevoll vor. Zwei Paar kostspielige Röcke drapierten sich kunstvoll in gerüschter Unordnung, zwei Paar Brüste hoben und senkten sich über vor Bedrängung heftig klopfenden Herzen.
Die abendliche Veranstaltung wurde zum vollen Erfolg erklärt.
Die Gentlemen, von Lady Kingairs gebellten Befehlen zum Handeln gedrängt, trugen die beiden jungen Damen in einen Salon am Ende des Korridors. Dort wurden sie gebührend mit Riechsalz wiederbelebt und ihre Stirnen mit Rosenwasser betupft.
Lady Maccon blieb allein mit der unglückseligen Mumie zurück, die unwissentlich die Ursache für all die Aufregung war. Sogar die Skarabäen hatten krabbelnd das Weite gesucht. Nachdenklich legte Alexia den Kopf schief und kämpfte gegen den Widerstand an, den sie schon die ganze Zeit über verspürte und der nun, da nur noch sie beide sich im Raum befanden, sogar noch drängender wurde. Es fühlte sich an, als würde die Luft selbst versuchen, sie aus dem Raum zu schieben. Mit schmalen Augen musterte Alexia die Mumie, während etwas in ihrem Hinterkopf zu arbeiten begann. Was immer es auch war, sie konnte es nicht fassen. Immer noch angestrengt nachdenkend wandte sie sich um und begab sich ins andere Zimmer.
Nur, um dort Tunstell vorzufinden, wie er Miss Hisselpenny küsste, die ganz offensichtlich hellwach war und mit Begeisterung daran teilnahm. Vor den Augen aller.
»Also, ich muss schon sagen!«, rief Alexia. Sie hätte nicht gedacht, dass Ivy soviel Kühnheit hatte. Augenscheinlich hielt sie Tunstells Küsse inzwischen für weniger feucht als bisher.
Felicity öffnete blinzelnd die Augen, vermutlich voller Neugier, was die Aufmerksamkeit aller so gründlich von ihrer eigenen dahingestreckten Gestalt ablenkte. Sie erblickte die beiden sich innig Umarmenden und schloss sich nach Luft schnappend Alexias Bestürzung an. »Aber, Mr. Tunstell, was tun Sie da?«
»Das sollte doch
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