Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
überaus groß. Alexia war es nicht gewohnt, sich klein zu fühlen.
Bei diesen Worten verzog der Gamma sein breites Gesicht. »Über ein Jahrhundert lang war er Anführer dieses Rudels, und er hat Ihnen gegenüber nich’s von uns erzählt?«
»Vielleicht will er ja nur nicht, dass ich etwas über Sie weiß«, schlug Alexia vor.
Sidheag unterbrach sie. »Genug geschwätzt! Wir werden Ihnen jetzt Ihre Zimmer zeigen! Jungs, geht und holt die Koffer rein!« Und schimpfend fügte sie hinzu: »Verdammte Engländer, können nich mit leichtem Gepäck reisen!«
Die Gästezimmer im oberen Stock waren nicht besser als der Rest der Burg: in tristen Farben und erfüllt von einem muffigen Geruch. Das Zimmer, das man Lord und Lady Maccon zuwies, war zwar einigermaßen sauber, aber mit rötlich braunem Dekor, der etwa seit ein paar hundert Jahren aus der Mode war. Es gab ein großes Bett, zwei kleine Schränke, einen Ankleidetisch für Alexia und eine Ankleidekammer für ihren Gatten. Die Farbgebung und das allgemeine Erscheinungsbild des Zimmers erinnerten Lady Maccon an ein nasses, unleidiges Eichhörnchen.
Sie suchte das ganze Zimmer nach einem sicheren Ort ab, wo sie ihre Aktentasche verstecken konnte, jedoch ohne Erfolg, deshalb schlenderte sie drei Türen weiter zu dem Zimmer, in dem Miss Hisselpenny untergebracht war.
Als sie an einer der anderen Türen vorbeikam, hörte sie Felicity mit atemloser Stimme hauchen: »O Mr. Tunstell, werde ich denn im Zimmer direkt neben dem Ihrem sicher sein, was denken Sie?«
Sekunden später wurde sie Zeuge, wie Tunstell, Panik in jeder Sommersprosse, aus Felicitys Zimmer stürzte und in seine kleine Kammerdienerbehausung direkt neben Conalls Ankleidekammer flüchtete.
Ivy war gerade damit beschäftigt, ihre Reisetruhe auszupacken, als Alexia höflich an ihre Tür klopfte und hereinspazierte.
»Oh, dem Himmel sei Dank, Alexia! Glaubst du, dass es in diesem Gemäuer Gespenster gibt? Oder schlimmer noch, Poltergeister? Bitte glaub nicht, ich würde irgendwelche Vorurteile gegen Übernatürliche hegen, aber eine übermäßige Anzahl an Geistern wäre einfach zu viel für mich, besonders wenn sie sich in den letzten Stadien der Auflösung befinden. Ich hörte, sie werden dann ganz komisch im Kopf und wabern herum und verlieren Teile ihres immateriellen Selbst. Man biegt um die Ecke irgendeines völlig unverdächtigen Korridors, nur um zwischen Decke und Zimmerpalme schwebend eine körperlose Augenbraue vorzufinden.« Miss Hisselpenny erschauderte, während sie sorgsam ihre zwölf Hutschachteln neben dem Kleiderschrank stapelte.
Alexia rief sich in Erinnerung, was ihr Mann gesagt hatte: Wenn sich die Werwölfe hier nicht verwandeln konnten, bedeutete dies, dass Castle Kingair von der Vermenschlichungsplage befallen war. Die Burg dürfte vollständig exorziert worden sein.
»Ich bin mir sicher«, sagte sie zuversichtlich, »dass definitiv keine Geister diesen Ort frequentieren.«
Ivy sah nicht gerade überzeugt aus. »Aber Alexia, wirklich, du musst doch zugeben, dass diese Burg ganz genau die Art Gemäuer ist, wo sich Geister wohlfühlen.«
Frustriert schnalzte Lady Maccon mit der Zunge. »Oh, Ivy, sei nicht albern! Der äußere Anschein hat damit überhaupt nichts zu tun, das weißt du genau. Nur Schauerromane verbinden Geister mit derartigen Orten, und Schriftsteller stellen die Übernatürlichen nie richtig dar. Im letzten Roman, den ich gelesen habe, wurde sogar behauptet, die Metamorphose habe mit Magie zu tun, wo doch jeder weiß, dass es völlig stichhaltige wissenschaftliche und medizinische Erklärungen für ein Übermaß an Seele gibt. Erst neulich habe ich gelesen, dass …«
Miss Hisselpenny unterbrach sie hastig. »Ja … nun … Kein Grund, mich mit blaustrümpfigen Erklärungen und Abhandlungen der Royal Society zu bedrängen. Ich nehme dich einfach beim Wort. Um wie viel Uhr, sagte Lady Kingair, wird das Dinner serviert?«
»Um neun, glaube ich.«
Ein weiterer Ausdruck von Panik überzog das Gesicht ihrer Freundin. »Denkst du, man serviert …«, sie schluckte heftig, »… Haggis?«
Lady Maccon verzog das Gesicht. »Sicher nicht bei unserer ersten Mahlzeit. Obwohl … Man kann nie wissen.« Während ihrer Kutschfahrt hierher hatte Conall dieses widerwärtige Gericht – es handelte sich um gefüllten Schafsmagen, ein schottisches Nationalgericht – mit unverzeihlicher Begeisterung beschrieben. Was zur Folge hatte, dass die Damen seitdem in Todesangst
Weitere Kostenlose Bücher