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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Feinde der Bauernbuben aus den Dörfern drum herum gewesen.
    Damals.
    Dengler lächelte. Die Jungs aus Neustadt fühlten sich als etwas Besseres. Wenn ihnen einer der Bauernbuben, wie Dengler einer war, über den Weg lief, gab es Dresche. Manchmal zogen sie auch durch die Dörfer und suchten sich Opfer. Aber ihn hatten sie nie erwischt.
    Über Lenzkirch lenkte er den Wagen die schmale Straße entlang nach Raitenbuch. Früher war das der Hauptweg nach Altglashütten gewesen, doch jetzt kam ihm nur ein Motorradfahrer entgegen. Sonst niemand. Er fuhr gemächlich die Landstraße durch den Wald. Ihm gefiel die Strecke.
    Dann sah er das silbrig glänzende Wasser des Windgfällweihers vor sich. Größer als ein Weiher. Ein See. Er parkte den Wagen in einer kleinen Haltebucht und stieg hinunter zum Ufer. Dengler hockte sich nieder und steckte eine Hand ins eiskalte Wasser
    Kein Mensch zu sehen.
    Alles hier war so ruhig wie immer. Auf der anderen Seeseite leuchteten kurz die roten Anoraks zweier Wanderer auf. Dann waren auch sie verschwunden.
    Er stand auf und ging die wenigen Meter nach links. Er wunderte sich, dass er innerlich völlig unberührt blieb. Die Stelle sah so aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Aus der gemauerten Tunnelöffnung, groß genug, dass ein Mann in gebückter Haltung hineingehen konnte, plätscherte ein kleiner Bach und floss in den See. Als Kind war er mit dem Fahrrad in diese Zuleitung hineingefahren.
    Noch immer zeigte sein Inneres keine Reaktion.
    Er kniete sich hin, um besser in die Röhre hineinschauen zu können.
    Dunkel.
    Dunkel war es darin immer gewesen.
    Nach drei, vier Metern verlor sich das Tageslicht. Nur die Fahrradleuchte, von dem unregelmäßig surrenden Dynamo angetrieben, spendete dünnes, flackerndes Licht. Nach zehn Metern bedeutete jeder weitere Meter eine Mutprobe. Ziemlich weit, wohl mehr als einen oder gar zwei Kilometer, war er damals in die Röhre hineingefahren. Immer wieder.
    Bis zu jenem Tag.
    Dengler schüttelte sich und stand auf.
    Die Röhre verband den Feldsee mit dem Windgfällweiher. Zweimal am Tag wurde überschüssiges Wasser aus dem Feldsee abgelassen. Dann füllte sich die Röhre, und das Wasser schoss in den Windgfällweiher. Georgs Ziel war es immer gewesen, möglichst knapp vor den Wassermassen die Röhre wieder zu verlassen. Er hatte es immer geschafft.
    Bis zu jenem Tag.
    Als er daran dachte, wunderte er sich, dass er immer noch ruhig blieb. Immer noch wie unberührt. Immer noch, als sei das alles einem ganz anderen Jungen geschehen. Einem Fremden. Und nicht ihm.
    Und plötzlich sah er das Bild des Soldaten vor sich.
    Florian Singer. In Uniform. Mit dem roten Barett auf dem Kopf. Das gleiche überhebliche Grinsen wie ...
    Wie hieß der Junge noch, der damals auf dem Dengler-Hof Urlaub machte?
    Ferien auf dem Bauernhof.
    Sein Freund.
    Sein bester Freund für sechs Wochen Sommerferien.
    Sie schnitten sich mit Denglers Taschenmesser jeder einmal in die Fingerkuppe. Beide hatten sie vor Furcht die Luft angehalten. Dann legten sie die blutenden Zeigefinger aufeinander.
    Im Namen meiner Seele, meines Glaubens, meines Todes schwöre ich dir Treue, Bruder, auch in großer Not. Mein Blut soll das besiegeln, ewig soll der Eid bestehen.
    Merkwürdig, dass er sich plötzlich an den Wortlaut ihres Schwurs erinnerte. Beide hatten sie die Formel damals gleichzeitig gemurmelt. Jeder versuchte, sich den brennenden Schmerz nicht anmerken zu lassen.
    Für dich will ich sterben, ohne Reue, ohne Angst. Mein Leben für dich geben, wenn du es von mir verlangst.
    Diesen Text hatte Florian irgendwo aufgetrieben.
    Dengler blieb abrupt stehen.
    Das war es. Das hatte ihn am Fall Singer irritiert. Sarah Singers Mann trug den gleichen Vornamen wie sein früherer Blutsbruder.
    Florian.
    Er versuchte angestrengt, sich an den Nachnamen des Jungen zu erinnern. Er fiel ihm nicht ein.
    Singer hieß er auf keinen Fall.
    Gut. Der Fall hatte also nichts mit der Sache von damals zu tun.
    Erleichtert ging er zu dem roten Stadtmobil zurück, schloss die Wagentür auf und fuhr zum Dengler-Hof. Seine Mutter stand in der Tür, als er in den Hof einbog. Gerade trocknete sie sich die Hände an ihrer Schürze ab.
    Am Abend kochte sie. Es gab, wie immer, wenn ihr Sohn zu Besuch kam, Badische Schäufele, Feldsalat und selbst gebackenes Brot.
    Nach dem Essen ein Glas Rotwein aus dem Markgräflerland. Die Mutter erzählte von ihren Schmerzen in der Hüfte, die immer schlimmer würden. Der Arzt könne da gar

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