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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Funktelefon und rief sie an.
    »Singer«, meldete sie sich.
    Ihre Stimme klang atemlos.
    »Störe ich?«
    »Nein, ich war nur unten, in der Waschküche.«
    Sie schwieg einen kurzen Augenblick.
    »Ich glaube, heute Nacht war jemand da«, sagte sie dann.
    »Ihr Mann?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe Fußspuren im Garten gefunden.«
    »Ich komme.«
    Sie schwiegen.
    »Ich habe Angst«, sagte sie leise.
    »Ich beeile mich«, sagte Dengler und legte auf.
    Draußen wurde es bereits dunkel. Er starrte durch die Windschutzscheibe auf die weißen Mittelstreifen, die unter ihm vorbeisausten.
    * * *
    Sie stand frierend in der Haustür, als er das Stadtmobil vor ihrem Haus parkte. Sie trug ein dünnes hellblaues Kleid. Darüber hatte sie eine braune Strickjacke gezogen. Den Rücken hatte sie leicht gebeugt, die Hände vor der Brust gekreuzt. In einer Hand eine Zigarette.
    Ohne etwas zu sagen, drehte sie sich um und ging ins Haus. Die Tür ließ sie offen stehen.
    »Bier, Schnaps, Wein?«, fragte sie mit einer tonlos klingenden Stimme, als Dengler sich in ihrem Wohnzimmer an den Tisch gesetzt hatte.
    Er schüttelte den Kopf und bat um ein Glas Wasser.
    Als sie aus der Küche zurückkam, stellte sie ein Glas vor ihn und eine Karaffe Wasser. Sie goss sich einen Kaffee aus einer Warmhaltekanne ein.
    Und wieder bemerkte Dengler, wie sie ihr Kreuz durchstreckte.
    »Ich muss einfach mehr über Ihren Mann wissen«, sagte er.
    Sein schwarzes Notizbuch lag vor ihm. Er schlug es auf und zog seinen Füller aus der Hosentasche.
    Sie nickte und zündete sich eine neue Zigarette an. Zweimal zog sie daran, dann drückte sie den Glimmstängel mit einer heftigen Bewegung aus.
    »Scheiß Kippen«, sagte sie.
    »Machen mich kaputt.«
    »Das alles macht mich kaputt.«
    »Die Kinder sind jetzt bei meinen Eltern.«
    »Heute Morgen habe ich den Fußabdruck im Beet vor dem Schlafzimmer gefunden.«
    »Ein Spanner ist echt das Letzte, was mir noch fehlt.«
    »Wollen Sie den Abdruck sehen?«
    Dengler nickte.
    Er bat um ein Paar Schuhe ihres Mannes und um eine Taschenlampe. Dann gingen sie durch die Hintertür in den kleinen Garten. Vor einem Salatbeet deutete sie auf den Boden. Dengler nahm ihr die Taschenlampe aus der Handund leuchtete drei deutlich erkennbare Fußspuren aus. Vorsichtig setzte er den Schuh ihres Mannes darauf.
    »Könnte passen«, sagte er.
    Sie zog aus der Seitentasche ihrer Strickjacke ein Päckchen Zigaretten, knetete es in der Hand und schob die Packung dann wieder zurück.
    Sie gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich.
    »Können Sie sich vorstellen, warum Ihr Mann letzte Nacht vor Ihrem Haus stand?«
»Keine Ahnung.«
    »Sie sagten bei unserem ersten Gespräch, Ihr Mann sei krank. Sehr krank. Was meinten Sie damit?«
    Wieder zog sie die Schachtel Zigaretten aus der Tasche ihrer Strickjacke, und wieder schob sie sie sofort wieder zurück.
    »Weiß nicht, ob es dafür einen Namen gibt. Aber ein anderer Mensch war er, als er aus Afghanistan zurückkam.«
    Sie überlegte einen Augenblick.
    »Florian war immer ein fröhlicher Mensch. Freundlich. Gutmütig, ja, gütig. Lachte gerne. Das hat mir an ihm gefallen.« Wie der Florian, den ich gekannt habe, dachte Dengler.
    »Gefunkt hat es zwischen uns sofort. Kennengelernt haben wir uns in Tübingen. Im Sudhaus. Bei einem Konzert von Taj Mahal. Ich tanzte. Plötzlich war Florian da. Wir tanzten zusammen. Ein Apfelschorle brachte er mir. Verrückt, nicht? Ein Apfelschorle! Dann redeten wir und redeten und redeten. Er wirkte auf mich gar nicht wie ein Soldat. Ich mochte Militär nie. Aber er war ... richtig nett. Redete mehr über die technischen Sachen, die er bei der Bundeswehr machte und von denen ich nichts verstand. Ohne die Bundeswehr, sagte er, hätte er nie die Chance gehabt, sich mit diesen komplizierten Maschinen zu beschäftigen. Er hatte sich mit achtzehn für diesen Weg entschieden. Für ihn war es auch eine Möglichkeit gewesen, dem Elternhaus zu entkommen. Und an Krieg dachte er damals so wenig wie ich. So redeten wir, bis sie zurückmussten.«
    »Sie?«
    »Florian und seine drei Kumpels. Sie mussten zurück in die Kaserne.«
    »Nach Calw?«
    »Nach Calw.«
    »Wie heißt die Kaserne?«
    »Graf-Zeppelin-Kaserne.«
»Die Einheit?«
    Sie zögerte.
    »Das ist diese hoch geheime Einheit, Sie wissen schon.«
    Dengler nickte.
    Er sagte: »Trotzdem. Wie hieß seine Einheit? Die Kompanie, das Bataillon?«
    Sie senkte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie leise. »Ich weiß

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