Brennende Kontinente
geführt, in dem nur ausländische Schiffe vor Anker lagen. Fiorell erkannte
Palestaner und ein paar Tarviner; sogar eine rogogardische
Kriegskogge dümpelte im smaragdgrünen Wasser. Dann gab es Schiffe, deren Formen ihm gänzlich unbekannt waren, die gehissten Banner sagten ihm nichts.
Ein Angorjaner in dünner, weißer Leinenkleidung kam auf ihn zu, er trug eine Wachstafel und einen Griffel, außerdem einen Rechenschieber sowie eine kleine Rolle Papier mit sich; rechts und links von ihm liefen zwei Krieger.
Er nickte, lächelte freundlich und überschüttete Fiorell mit einem Schwall unverständlicher Worte. Dabei bemerkte der Hofnarr, dass der Angorjaner bei seiner Begrüßung zwischen verschiedenen Sprachen wechselte. Er suchte offenbar nach der richtigen Verständigung. Dann schaute er an ihm vorbei, betrachtete das Schiff und schnalzte unzufrieden mit der Zunge. »Ach, ich sehe. Ulldart«, sagte er in der Allgemeinsprache des Kontinents. »Was habt ihr geladen?« Er zückte den Griffel und wartete, was ihm genannt wurde.
»Nichts«, antwortete Fiorell. »Ich wollte nachsehen, was es zu handeln gibt.«
»Ich werde das überprüfen müssen.« Der Angorjaner nickte dem Wächter zu seiner Linken zu. Der Mann stieg die Planke empor und ging an Bord. »Nach welcher Ware sucht Ihr?«
»Ich weiß es nicht. Mal sehen, was das schöne Land von dem hat, was man in Tarpol benötigt.«
Der Angorjaner hob die Augenbrauen. »Das ist doch eine agarsienische Galeere?«
»Ja. Aber ich bin ein tarpolischer Kaufmann.«
Der Mann lachte. »Ihr auf Ulldart ... Ihr macht immer Sachen.« Er legte ein Holzbrettchen über die Wachstafel, rollte das Papier ein wenig ab und schrieb Zahlen darauf, danach versah er es mit einem Handteller großen Stempel, riss
es ab und reichte es Fiorell. »Das macht eine Iurd‐Krone. Es beinhaltet das Recht, auf Angor einzukaufen, hier anzulegen und wieder abzulegen. Verliert die Gestattung nicht. Sobald Ihr Ware erstanden habt, meldet Euch bei dem Aufseher«, er deutete auf ein Türmchen, »und wir rechnen aus, was Ihr für die Ausfuhr bezahlen müsst.« Er nahm die Krone entgegen, die ihm Fiorell reichte.
»Kommt nicht auf den Gedanken, heimlich abzulegen. Unsere Galeeren sind schneller als Eure«, fügte er mit einem schelmischen Lächeln hinzu.
Fiorell spielte den Empörten. »Ich bin ein ehrlicher Mann!«
»Ich weiß, ich weiß. Alle sind ehrlich, und es gibt nichts Böses auf der Welt.« Der Angorjaner kramte in seiner Umhängetasche und nahm ein weiteres beschriebenes Blatt Papier heraus. »Da Ihr zum ersten Mal auf Angor seid, lest Euch die Sätze durch und prägt sie Euch ein. Es sind kleine Regeln, die Euch das Leben in unserem Land vereinfachen.« Er verneigte sich und wartete, bis der ausgesandte Wächter zurückkehrte, dann setzte er seine Runde fort. »Angor sei mit Euch.«
»Das hoffe ich sehr«, murmelte Fiorell, ging am Kai entlang und überflog die Hinweise. Kurz zusammengefasst: Fremde durften auf Angor alles ‐ wenn man es ihnen erlaubte. Einheimische besaßen immer Vorrechte, ganz gleich ob das beim Einkauf oder beim Überqueren der Straße war. Würde man das Bildnis einer Treppe bemühen, standen Fremde zwanzig Stufen unter den Bewohnern des Kontinents. Man ließ die Fremden spüren, dass sie geduldet, aber nicht willkommen waren.
Dieser Status änderte sich erst, wenn es einen Angorjaner gab, der eine Bürgschaft übernahm. Diese Bürgschaft schlug
sich in einer Brosche nieder, die man sichtbar an der Kleidung zu tragen hatte. Damit stand man nur noch eine Stufe unter den Einheimischen, also genau in der richtigen Höhe für einen Tritt zwischen die Beine. Denn jeder Angorjaner durfte die Brosche wieder abreißen, wenn er der Meinung war, dass der Fremde sich nicht den Gepflogenheiten entsprechend benommen hatte.
»Sehr nett. Und so gastfreundlich«, sagte Fiorell feixend. Er spazierte durch einen Irrgarten von Lagerhäusern, die dicht an dicht gebaut standen. Vor dem einen wurden Säcke und Kisten verladen, hinter dem anderen hingen gefärbte Stoffe zum Trocknen in der Sonne. Auf einem großen Platz, den er passierte, lagen Gewürze und in dünne Scheiben geschnittene Früchte ausgebreitet, die einen Geruch von Anis und Zimt verströmten. Die Macht der Taggestirne trieb die Feuchtigkeit aus ihnen und ermöglichte es, sie länger aufzubewahren und über weite Strecken zu transportieren. Sodann verließ Fiorell den Hafen und betrat den alten Kern von No‐Phos,
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