Brennende Kontinente
die sich gewehrt haben«, gab er zur Antwort. »Wir haben unser Leben verteidigt.«
Sainaa spie ihn an. »Ihr seid auf uns zugeritten und über uns hergefallen wie gewöhnliche Räuber. Hast du erwartet, dass wir euch mit Gesang willkommen heißen?«
»Was geschehen ist«, sagte Vahidin laut, »ist geschehen, und es tut mir Leid, dass Leben verloren gingen. Aber das Missverständnis ist aus der Welt geschafft.« Er blickte Sainaa an. »Glaube mir, ich wollte nicht, dass die Menschen, die mich retteten, Schmerzen erlitten. Es liegt jedoch nicht in meiner Macht, das zu ändern.«
Lukaschuk trat vor. »Nennt eine Strafe, und ich nehme sie ohne Murren hin.«
Vahidin lächelte ihn an. »Wir werden sehen. Am besten besprechen wir es mit den Jengorianern zusammen. Danach suchen wir für euch ein Quartier.« Er spürte, dass seine Beine zu zittern drohten.
»Wir bleiben.«
»Das wird nicht nötig sein, Hoher Herr. Wir haben ...«
»Du hast mich gehört, Lukaschuk. Wir bleiben.« Vahidin kehrte zu seinem Lager zurück und erreichte es kurz bevor seine Beine versagten. »Wir bleiben lange.« Er schaute zu Sainaa und schenkte ihr einen langen Blick. »Es gibt viel zu lernen.«
Sainaa wischte sich das Blut weg. Sie fühlte neben all der Wut auf die Fremden eine große Unsicherheit in sich. Die Augen des Jungen waren betörend und hatten ‐ wenn sie sich nicht sehr geirrt hatte ‐ sogar die Farbe von Braun zu einem kräftigen Magenta gewechselt. Er wirkte auf sie reifer als an dem Tag, als man ihn gefunden hatte. Verstört ging sie an Lukaschuk vorbei. »Ich muss nach meinen Kindern sehen«, sagte sie und eilte hinaus. Obwohl sie gern in Silberhaars Nähe geblieben wäre.
»Doch der Preis war hoch.
Zweiundsiebzig tapfere Männer ließen ihr Leben,
um den Qwor zu töten. Wir übergaben den
Kadaver des Scheusals den Flammen, damit
nichts von ihm bleibt außer Asche.
Es war ein rechtes Freudenfeuer! Jetzt ist der
zweite Qwor an der Reihe.«
Aufzeichnungen des ehrenwerten Sintjop, Bürgermeister Bardhasdrondas, gesammelt in den Archiven zu Neu‐Bardhasdronda
Kontinent Angor, Kaiserreich Angor No‐Phos, Nordküste, Spätwinter im Jahr 1/2 Ulldrael des Gerechten (460/461 n.S.)
In einem Drittel Sonnenzug sind wir da.« Der Schiffsjunge grinste. »Da vorne sieht man sie schon.« Er hob den Arm und deutete auf die Umrisse einer Hafenstadt, die sich aus dem Nebel abzeichnete. Fiorell wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war ungewohnt schwül für ihn; je näher sie der Küste kamen, desto drückender wurde es, was unangenehme Erinnerungen an das Dampfbaderlebnis in ihm weckte.
Er hatte selten eine Mission angetreten, bei der er derart zwiespältige Gefühle in sich spürte. Die am Horizont auftauchenden Türme von No‐Phos verbesserten seinen Zustand nicht unbedingt. Es war eine Sache, als Frau verkleidet in ein tarpolisches Sicherheitsgefängnis einzudringen und eine Befreiung vorzubereiten. Das Spionieren auf einem fremden Kontinent war eine ganz andere. Auf Angor würde er schon allein durch seine hellere Haut auffallen, dazu kamen die Sprache und sein beinahe schmächtiger Körperbau. Zwar war Fiorell stark gebräunt, aber das bedeutete nichts im Vergleich zu dem Ton, den Perdor als Zartbitter umschrieb. Die Angorjaner wiesen dunkelbraune bis abgrundtief schwarze Haut auf, und eine solche Färbung auf Dauer nachzuahmen, würde selbst Fiorell nicht gelingen. Schon allein wegen des Schwitzens.
»Danke«, sagte er zu dem Jungen. »Richte dem Kapitän aus, dass ich unter Deck bin und mich vorbereite.«
»Aye.« Der Schiffsjunge salutierte und lief zum Heck der agarsienischen Galeere, die Perdor für die Überfahrt angemietet hatte. Die Rudermannschaft wurde im Gegensatz zu einem Sklavenschiff für ihre Dienste bezahlt, Ketten gab es keine.
Fiorell eilte die Stufen in seine Kajüte hinab und verwandelte sich in einen tarpolischen Adligen, einen Hara<. Wenn er schon nicht verbergen konnte, dass er ein Fremder war, wollte er richtig auffallen. Als das Schiff anlegte, schritt er mit angeklebtem schwarzem Bart, in beigefarbenen Pluderhosen und weitem weißem Hemd mit bestickter Weste als Ortai Ortaiowitsch die Planke hinab und betrat zum ersten Mal in seinem Leben angolanischen Boden.
Er stand am Kai, die Hitze umgab ihn wie zäher Honig, der Schweiß rollte aus allen Poren hervor und tränkte seine Kleidung innerhalb kürzester Zeit. Ein kleines Boot, ein Lotse, hatte die Galeere in einen Teil des Hafens
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