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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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in dem es ebenso geschäftig zuging wie in den Handelsniederlassungen. Hatten die Bauten im Hafen denen auf Ulldart geglichen, wunderte sich Fiorell über die Häuser, die er hier zu sehen bekam. Offenbar folgten die Angorjaner nur dem eigenen Geschmack und weniger den Gesetzen der Gleichgewichtslehre. Daher setzten sie Säulen, wo sie keinen Sinn ergaben, und ließen dort welche weg, wo nach Fiorells Ermessen ein Einsturz eine Frage von Lidschlägen war. Als Ergebnis des wagemutigen Stils entstanden vielgeschossige, in erster Linie quadratische Gebäude mit luftigen, ausschließlich säulengetragenen Zwischenetagen. Hier und da verbanden kleine Brücken die Häuser; Balkone gingen
    nach allen Seiten ab, und ohne eine Dachterrasse kam kein Haus in No‐Phos aus. Im Allgemeinen waren die Wände weiß gestrichen, gelegentlich fanden sich bunte Ornamente, deren Sinn sich Fiorell nicht erschloss, oder Bildnisse des heldenhaften Gottes Angor in allen möglichen Erscheinungsformen. Fiorell erinnerte der Anblick an Baumstämme, an denen groß hütige Pilze wuchsen. Das hatte den Vorteil, dass es in den Gassen überwiegend schattig war, allerdings war es ihm unmöglich, sich zu orientieren. Das Auge wurde durch die Gleichheit der Häuser verwirrt. No‐Phos kam ihm wie ein einziges Labyrinth vor.
    Zu seiner Erleichterung machte er in dem Gewühl der Menge einen Rogogarder aus. Er war unschwer an seiner Kleidung und dem geflochtenen blonden Bart als Freibeuter zu erkennen. Ein breiter Waffengurt zierte den Oberkörper; seine Haare lagen unter einem verdreckten, ehemals weißen Kopftuch. Seine Statur war eher sehnig, dichtes Brusthaar quoll aus dem Kragen und spitzte auch im Nacken hervor. Er lehnte an einer Hauswand, kaute an einer Teigrolle und schaute sich um. Fiorell ging auf ihn zu. »Verzeih, wenn ich dich anspreche. Gibt es hier so etwas wie den Kaiserpalast?«
    Der Rogogarder biss in die Rolle, aus der reichlich Saft floss, und deutete in eine Gasse. »Da rein«, nuschelte er. »Unverfehlbar.«
    »Danke.« Fiorell wandte sich um, um dem bärtigen Freibeuter nicht beim Essen zuschauen zu müssen.
    »Warte«, traf ihn die Aufforderung in den Rücken. »Was
    willst du dort?«
    »Ihn mir ansehen.« Fiorell drehte sich zu ihm. »Weswegen? Ist das nicht erlaubt?« Er hob das Papier mit den Anweisungen
    für Fremde, überflog es vorsichtshalber. »Jedenfalls steht es
    nicht hier drin.«
    Der Rogogarder würgte sein Essen wie eine Schlange hinunter, wischte sich die Hände an seiner Hose ab und reichte Fiorell die Rechte. »Ich bin Kapitän Fargard. Ich war auch auf dem Weg zum Palast. Wir können zusammen hingehen.«
    »Haratf Ortaiowitsch. Aus Granburg.« Fiorell schlug ein. »Sehr gern. Dann fühle ich mich etwas sicherer.« Seine Augen blieben am blonden und mit kleinen Muschelperlchen verzierten Bart des Rogogarders hängen. Er entdeckte an der Oberlippe die Reste einer durchsichtigen Substanz, die er genau kannte. Sofort musterte er Fargard intensiver, suchte nach weiteren Spuren. »Was machen die Festungen auf Lofjaar? Glänzen sie noch immer in der Sonne?«
    »Ja«, lachte Fargard. »Ich kann es gar nicht mehr erwarten zurückzukehren.«
    »Was treibt Euch nach Angor?« Fiorell hob drohend den Zeigefinger. »Ihr werdet doch nicht nach Prisen Ausschau halten?«
    Fargard griente und setzte sich in Bewegung, tauchte in die Gasse ein, auf die er vorhin gezeigt hatte.
    »Was denkst du denn ? Ich bin ein harmloser Händler ...«
    »...der es auf Palestaner abgesehen hat.« Fiorell lachte dunkel. »Ihr habt nichts von Eurer Veranlagung verloren, ihr Rogogarder.«
    Sie marschierten nebeneinander her, plauderten über alle möglichen Dinge, die Vorgänge in Kensustria und vor Ammtara, wobei der Rogogarder merkwürdig unwissend schien.
    »Ich habe die letzten Monate auf See verbracht«, entschuldigte er sich. »Und dann schickte mich mein Obmann nach Angor, um zu sehen, was es Neues gibt.«
    Fiorell sah den Sonnenbrand im Nacken des Mannes. »Sicher, Kapitän. Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr beunruhigt.«
    Sie gingen durch eine Unterführung, in der sie just in diesem Augenblick allein waren. Da packte Fiorell den Rogogarder am Kragen, zerrte ihn nach rechts hinter einen Stapel leerer Säcke und rammte ihn hart gegen die Wand. »Ihr seid kein Freibeuter, mein Freund.« Er riss ihm blitzartig den falschen Bart aus dem Gesicht. Im nächsten Augenblick spürte er eine Hand in seinem Bart, ein kurzer Ruck, und auch er verlor

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